Ein Raunen ging durch die Reihen, als der für den Pastoralbereich zuständige Pfarrer Thomas Kellner zu Beginn der Messe ans Mikrofon trat. Eine Woche zuvor war es hier zu lautstarken Protesten gekommen, als verkündet wurde, dass Kellner dem 81-jährigen Ruhestandspfarrer Hans-Joachim Osseforth, der in St. Michael regelmäßig Sonntagsmessen anbietet, die Arbeit als Priester wegen „Fehlverhaltens“ untersagt hatte.
Jetzt ruderte Kellner, zu dessen Pastoralbereich auch die Laatzener St.-Oliver-Gemeinde gehört, zurück – und machte weitgehende Zugeständnisse: Er bat Osseforth um Entschuldigung, wenn er das Missverständnis erweckt habe, es könnte sich bei dem „Fehlverhalten“ um sexuellen Missbrauch handeln. Dies sei nicht der Fall.
„Ich bitte auch alle diejenigen um Vergebung, die ich am vergangenen Sonntag durch meine Entscheidung verletzt habe“, sagte Kellner in seiner Rede, die wiederholt von Applaus und Zwischenrufen unterbrochen wurde. Er habe in der Gemeinde für Unfrieden gesorgt, erklärte er in einer Art Mea culpa: „Das tut mir aufrichtig leid.“Wie Kellner erklärte, darf Pfarrer Osseforth seine priesterliche Tätigkeit in der Gemeinde ab sofort wieder aufnehmen. Auch in Zukunft soll es an Sonntagabenden um 18.30 Uhr in St. Michael eine Messe geben. Eine Woche zuvor hatte es noch geheißen, diese Gottesdienste in der zum Verkauf stehenden Kirche sollten gestrichen werden.
Der Zwist zwischen den Kirchenmännern hatte sich an verschiedenen Punkten entzündet. Unter anderem hatte Osseforth im vergangenen Winter Geld gesammelt, um Öl zum Beheizen der kalten Kirche zu kaufen – gegen einen Beschluss des Kirchenvorstands. Obwohl er die Spenden nicht als klassische Kollekte im Gottesdienst eingenommen hatte, sondern außerhalb der Messe, wertete Kellner dieses Vorgehen als Fehlverhalten.
Außerdem hatte Osseforth sich dagegen ausgesprochen, Messen gelegentlich durch sogenannte Wort-Gottes-Feiern zu ersetzen, die von Laien gestaltet werden. Damit hatte er sich gegen Kellner und einen Beschluss des Pfarrgemeinderats gestellt. Der jetzt gefundene Kompromiss sieht vor, dass es etwa alle neun Monate in St. Michael eine Wort-Gottes-Feier geben soll.
„Im gegenseitigen Einvernehmen werden wir die Frage nach Fehlverhalten in der Vergangenheit ab jetzt auf sich beruhen lassen“, sagte Kellner. Am Vortag hatten die beiden Priester mit Propst Wolfgang Semmet als Vermittler ein dreistündiges Gespräch miteinander geführt. Herausgekommen sei dabei „eine Lösung im gegenseitigen Respekt und im Sinne des Kirchortes St. Michael“, sagt Semmet.
Der Friedensschluss von Wülfel, der passenderweise am Michaelistag erfolgte, ist wohl eher eine sachliche Einigung als ein emotionales Fest der Versöhnung. Dennoch sind die Gläubigen erleichtert: „Diese Entscheidung ist in unser aller Sinne – zumal St. Michael auch als Schulkirche der nahen Kardinal-Bertram-Schule erhalten bleibt“, sagte Michael Kellner vom Kirchenvorstand. „Ich bin froh, dass sie nicht im Streit auseinandergegangen sind“, meinte der 17-jährige Leon Battermann.
Hans-Joachim Osseforth, der nun auch künftig in St. Michael Messen zelebrieren darf, dankte Kellner für seine Worte: „Ich freue mich, dass wir die ganze Angelegenheit gütlich vom Tisch kriegen konnten.“