Die Gleidi und Inge genannten Altvögel in Gleidingen hatten sogar vier Küken ausgebrütet, von ihnen überlebten aber nur zwei. Eines wurde, kurz nachdem es geschlüpft war, von Gleidi getötet. Die seinerzeit kalten, feuchten Nächte hätten dem erst wenige Tage alten Vogel offenbar zugesetzt, oder er sei krank gewesen, vermutet Körber. Beim Elternstorch löse dies einen sogenannten Verschlingimpuls aus, erklärt Körber das Verhalten, das in der Fachwelt als Infantizid bezeichnet wird. Die Geschwister des getöteten Jungtiers wurden zwar allesamt flügge, doch eines von ihnen kollidierte nach dem ersten Ausflug mit der nahen Oberleitung und wurde tödlich verletzt. Anwohner begruben den jungen Storch auf Anraten des Weißstorchbeauftragten der Region, Reinhard Löhmer, vor Ort.
Die verbliebenen Jungstörche kehrten eine Woche nach dem vermeintlichen Nestabschied noch einmal zurück. „Sie wollten sich von ihren Eltern füttern lassen“, berichtet Körber. Die Altstörche hätten dies aber verweigert. „Die hormonelle Bindung zwischen Eltern- und Jungtieren ist dann nicht mehr existent“, weiß der Experte. Beim Vertreiben des Nachwuchses könnten die Eltern sogar richtig grob werden.
Dieser Tage bereiten sich somit acht Laatzener Jungstörche auf ihre erste große Reise vor. Körber rechnet Mitte August mit ihrem Abflug. „Sie verlassen die Region in größeren oder kleineren Truppen über die Deisterpforte in Richtung Süden“, kündigt er an. Neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge suchten die Jungstörche auf Wiesen und Feldern die Nähe zu erfahreneren Nichtbrütern, sagt Körber.
Die ein- bis vierjährigen Nichtbrüter flögen in jene Gebiete, in denen sie schon überwintert haben, führt der Experte weiter aus. „Die Jungstörche schließen sich den Nichtbrütern an. Dabei merken sie sich den Weg in den Süden.“ Frühere Annahmen, wonach Störche den Weg allein fänden, seien widerlegt. Die vor den Elternstörchen nach Süden aufbrechenden Gruppen sammeln sich zurzeit in Laatzen. Da viele Wiesen gemäht sind, gibt es reichlich Nahrung, doch die Suche danach müsse der Nachwuchs noch lernen, sagt Körber. „Es ist deutlich zu erkennen, wie die Jungstörche sich an den Nichtbrütern orientieren und ihnen hinterherlaufen.“