Die IG hat auch die Region Hannover angeschrieben, doch diese antwortet, dass es die Kommunen seien, die für den Hochwasserschutz und die Starkregenprävention zuständig sind. Für die IG wäre ein Deichbau in Hemmingen die beste Lösung: „Nur ein Deich kann die städtische Infrastruktur und auch ihre Bewohner wirksam schützen.“ Denn: „Eine gemeinsame Schutzlinie mit einer Länge von acht Kilometern ist weitaus kürzer als der individuelle Schutz einzelner Gebäude mit einer geschätzten Gesamtlänge von 50 Kilometer“, argumentiert sie. Mit einer durchschnittlichen Höhe von einem Meter mit Freibord ließe sich der Deich gut in die Landschaft integrieren. Im Jahr 2020 seien im Rat die drei Varianten nur „überschlägig geschätzt“ worden, kritisiert die IG.
Rückblende: Für den bestmöglichen Schutz – die sogenannte HQ100-Variante für den Fall eines Hochwassers, wie es statistisch alle 100 Jahre vorkommt – gab es vor vier Jahren im Rat keine Mehrheit. Die acht Kilometer lange Trasse wäre mit rund 20 Millionen Euro auch die teuerste Lösung gewesen. Bei der zweiten Abstimmung stand das sogenannte 70-Prozent-Modell mit einem HQ30-Schutz zur Debatte: eine 3,3 Kilometer lange Trasse und ein Freibord, das einer kleinen Mauer ähnelt. Auch diese Variante, die rund 4,3 Millionen Euro gekostet hätte, fiel durch. Mehrheitlich stimmte der Rat dann für den erweiterten Katastrophenschutz. Nach der Kommunalwahl 2021 änderte sich die Zusammensetzung im Rat. Die Mitglieder machten sich in einem internen Workshop mit dem komplexen Thema vertraut. Eine neue öffentliche Debatte im Rat über das Für und Wider eines Deichbaus gab es seither nicht.
Laut IG ist die Eigenvorsorge der Bürger und Bürgerinnen ganz individuell. So sei zwischen Häusern zu unterscheiden, bei denen allein der Keller überschwemmt werde, und anderen, bei denen das Wasser auch in die Wohnräume dringe. Anhand von Gullydeckelhöhen sei berechnet worden, dass das Hochwasser auf einigen Grundstücken in Hemmingen bis zu 1,20 Meter hoch stehen kann.
Ein Bürger an der Straße Rohrdiek in Hemmingen-Westerfeld habe jetzt zudem sein Haus von einem Statiker im Hinblick auf Auftrieb berechnen lassen. Das Ergebnis: Er darf sein Haus nur schützen, solange das Hochwasser nicht höher als fünf Zentimeter über dem Erdgeschoss ansteigt. Danach reiche die Auflast nicht mehr und das Haus schwimme auf. Die IG hat dem Ingenieurbüro in Hannover ferner einige Gebäudeschnitte von Häusern von Mitgliedern vorgelegt, darunter an den Straßen Grevenbleck und Im Siek sowie Gustav-Pries-Straße. Demnach schwimmen Häuser ohne Keller auf. Steige das Hochwasser an, drohe die Grundplatte zerstört zu werden.
Die IG bedauert, dass bei der Informationsveranstaltung der Stadt im Mai in der KGS nur der Starkregen im Mittelpunkt stand und keine Fragen zum Schutz vor Hochwasser durch Flüsse gestellt werden durften, habe es doch erst zum Jahreswechsel ein Hochwasser in Hemmingen gegeben. Bürgermeister Jan Dingeldey (CDU) hatte zu Beginn der Veranstaltung um Verständnis dafür gebeten, dass dieses Mal die Eigenvorsorge im Fokus stehe.
Dass nach dem Hochwasser zur Jahreswende auf einer Fläche am Ende der Straße Hohe Bünte in Hemmingen-Westerfeld noch wochenlang das Wasser auf mehreren Hundert Quadratmetern stand, machte der IG Sorgen. Sie holte bei einem Ingenieurbüro in Hannover die Auskunft ein, dass Rückhalteräume möglichst schnell wieder entleert sein sollten, damit sie für das folgende Hochwasser als Retentionsraum zur Verfügung stehen. Im Übrigen wäre das Grundwasser auch ohne die dortige Abgrabung auf eine vergleichbare Höhe gestiegen; die Abgrabung habe es nur sichtbar gemacht. Das Hochwasser zur Jahreswende sei als ein HQ10 einzustufen, also eines, wie es statistisch alle zehn Jahre vorkommt.
Zu der seit diesem Monat bekannten Forderung der Hemminger SPD-Ratsfraktion, mit Laatzen und Pattensen eine Hochwasserpartnerschaft einzugehen und in Wilkenburg ein regionales Hochwasser-Kompetenzzentrum anzusiedeln, äußert sich die IG zurückhaltend. Sie wolle erst noch nähere Informationen über das Kompetenzzentrum sammeln. Die Interessengemeinschaft begrüßt generell, dass sich dem Thema Hochwasserschutz angenommen werde, fragt sich aber, ob das Pferd so nicht von hinten aufgezäumt werde.