Es fehlen Aufenthaltsmöglichkeiten für junge Menschen, so der Tenor, speziell im dicht besiedelten Laatzen-Mitte. Jugendzentrum und Nachbarschaftshaus schlössen genau dann, wenn sie besonders nötig seien. Wo sollten sich junge Menschen mit anderen treffen, wenn die häuslichen Verhältnisse beengt seien, fragte eine Teilnehmerin. „Laatzen ist tot, wenn das Leine-Center zu ist“, sagte Alexander Muschal aus Laatzen-Mitte. In Hauseingängen und an anderen Orten Laatzens würden Jugendgruppen kritisch beäugt. Es bleibe nur der öffentliche Raum.
Verschärfend zu fehlenden Perspektiven hinzu kämen Gruppendynamiken. Die Sehnsucht nach Anerkennung erfüllten sich manche, indem sie sich Prügeleien lieferten, Feuerlöscher in Treppenhäusern entleerten oder die Stadtbahn mit Steinen bewerfen. Mitunter werden die Taten sogar gefilmt und über Social Media verbreitet. So wie bei den Silvesterkrawallen am Wehrbusch, als Gruppen junger Leute die Feuerwehr in einen Hinterhalt lockten, den Fahrer eines Abschleppunternehmens zusammenschlugen und Autos beschädigten. Auf der Straße würden die Täter mit Applaus gefeiert, bemerkte eine Frau: „Das zu durchbrechen ist schwer.“ Selbst wenn, wie jüngst, Einzelne gefasst würden, wirke das nicht immer abschreckend, ergänzte ein Mann: „Für einige ist das ,eine Krönung’.“
Auf die Forderung, wonach die Schulen Konfliktvermeidung vermitteln müssten, meldete sich umgehend die Hauptschulzweig-Leiterin der Albert-Einstein-Schule zu Wort: „Wir tun in der Schule täglich nichts anderes als Prävention.“ Zudem gebe es dort keine großen Probleme. Auffällig würden junge Menschen zu anderen Zeiten – eben dann, wenn sie keine Anlaufstellen haben.
Mehr Polizeikontrollen könnten abschreckend auf potenzielle Straftäter wirken, lautete eine These aus den Reihen der Diskutierenden im Stadthaus. Es sei schon zu viel hingenommen worden, so ein Mann: „Wir wurden in den letzten 20 Jahren mit unserer Toleranz in die Ecke getrieben.“ Andere warnten sogar vor zusätzlichen Polizeikontrollen. Dies führe zu mehr Aggressionen und die Polizei sei schon jetzt der Feind – und unterbesetzt.
Alternativ zum Notruf 110 wünschte sich eine Zuhörerin eine Hotline, die nach Feierabend erreichbar ist, um bedenkliche Gruppen zu melden. Ein anderer Vorschlag, Menschen im Blick zu behalten, richtete sich an Hundebesitzer. Diese könnten sich zu gemeinsamen Spaziergängen verabreden, an einschlägigen Stellen vorbei. Lothar Hilke verwies auf proarabische, prokurdische und andere einzelne Kulturen hervorhebende Schriftzüge an Laatzener Wänden und regte an, bei muslimischen Verbänden zu befragen, welche Ideen sie im Umgang mit Jugendlichen hätten.
Machte der Bereich Am Wehrbusch lange Zeit Negativschlagzeilen wegen gruppeninternen Auseinandersetzungen auf dem dortigen Garagenhof und Sachbeschädigungen, sei es dort zuletzt ruhiger geworden, berichtete ein Anwohner. Dafür gebe es nun mehr Vorfälle bei der Grundschule Grasdorf, ergänzte ein Ehrenamtlicher von dort. Eine Handvoll junger Menschen sei bei der Beschädigung eines Gartentors von einem Bekannten beobachtet und angesprochen worden. Immerhin habe die Gruppe einsichtig reagiert und sich sogar entschuldigt, berichtete der zu Zivilcourage aufrufende Mann.
Abzuwarten bleibe auch, wie es beim ehemaligen Marktteich (heute: Weidengrund) weitergehe, sagte ein Anwohner. Es gebe dort regelmäßig Trinkgelage und Scherben. „Da ist ein Klientel, das bekommt niemand mehr in ein Jugendzentrum.“
Was fehle, seien offene, freie Sportangebote und Orte, die gerade nicht kontrolliert würden, sondern für die ein gewisses Grundvertrauen gelte, sagte Paula Schwaneberg. Sie verweist auf Erfahrungen in Bennigsen, wo gemeinsam „mit Jugendlichen“ Angebote geschaffen wurden und in der Folge die erhöhte Kriminalitätsrate gesenkt werden konnte. Auch dieser Vorschlag fand Anklang.
Wichtiges Bindeglied seien Streetworker, so der einhellige Tenor. Die vorhandenen Stellen seien aber zurzeit vakant, betonte SPD-Ratsfraktionschefin Silke Rehmert. Die Stadt suche dringend Fachkräfte für die aufsuchende Jugendarbeit. „Wir müssen uns da kümmern“, sagte Zietz zusammenfassend. Als Vorbild für Laatzen gilt das Garbsener Projekt X. Es bietet seit 2013 sowohl Anlaufstellen als auch feste Bezugspersonen sowie bedürfnisgerechte Angebote für junge Menschen. Erst jüngst wurde es im Laatzener Präventionsrat vorgestellt. Garbsen habe Zeit gebraucht, deshalb seien auch in Laatzen keine schnellen Lösungen zu erwarten, hieß es bei dem Treffen im Stadthaus. Aber es lohne sich, dranzubleiben.