Start in die Pilzsaison: Schon zwei Vergiftungsfälle
Medizinische Hochschule warnt vor dem Grünen Knollenblätterpilz. Vor allem Migranten erkennen den Giftpilz nicht.

Der gefährlichste Giftpilz: Den Grünen Knollenblätterpilz erkennt manan der sackartigen Ausstülpung an derStielbasis. Er ist für 90 Prozent aller tödlichen Vergiftungen verantwortlich.Foto: Tim Schaarschmidt

Es beginnt mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Nach ein bis zwei Tagen kommt es zur Schädigung der Leber, begleitet von Störungen der Blutgerinnung und der Nierenfunktion. „Im schlimmsten Fall kann nur eine Lebertransplantation das Leben des Patienten retten“, sagt Professor Richart Taubert von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) über den versehentlichen Verzehr des hochgiftigen Grünen Knollenblätterpilzes. „Wir hatten in diesem Monat bereits zwei Vergiftungen.“ 2023 war die Situation zu diesem Zeitpunkt mit sechs Vergiftungen besonders dramatisch: Ein Patient brauchte eine Transplantation, ein Todesfall war zu verzeichnen. Die MHH weist regelmäßig auf die Gefahren hin. „Wir wollen nicht warten, bis die Welle ins Rollen kommt“, so Taubert. Beide Vergiftungsopfer in diesem Jahr stammen aus der Ukraine.

Migration spielt eine wichtige Rolle: „Die meisten Patientinnen und Patienten mit Pilzvergiftungen stammen aus Ländern wie Russland und der Ukraine, aus dem Nahen Osten und Afghanistan“, teilt die MHH mit. „In den Heimatländern der Betroffenen ist der Knollenblätterpilz weniger verbreitet“, erklärt Taubert. Hierzulande ist die Art für 90 Prozent aller tödlichen Pilzvergiftungen verantwortlich. Man erkennt sie am drei bis 15 Zentimeter breiten Hut, an dessen Unterseite weiße Lamellen sind, und einer sackartigen Ausstülpung an der Stielbasis. Der Giftpilz ist grün, grün-gelb oder weiß.

2015, auf dem Höhepunkt der Fluchtwelle aus Syrien, gab es viele Fälle, seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine ging die Kurve ebenfalls nach oben. „Die Zahlen passen zur geopolitischen Situation“, stellt Taubert fest, der an der MHH den Bereich Transplantationshepatologie leitet. Warum ist gerade der Grüne Knollenblätterpilz so gefährlich? Die Symptome treten erst Stunden nach Verzehr auf. „Aber dann zählen die Stunden runter. Man muss umgehend ins Krankenhaus. Wir fangen bereits bei Verdacht mit der Behandlung mit dem Gegengift an“, betont Taubert. Die beiden Patienten konnten vergangene Woche so gerettet werden. Nachgewiesen werden kann das Pilzgift im Urin, bei der Diagnose kann es auch helfen, Pilzreste oder Erbrochenes aufzubewahren.

Schnelle Hilfe bei Vergiftungen gibt auch das Giftinformationszentrum-Nord in Göttingen unter der Telefonnummer (0551)19240. Das Telefon ist rund um die Uhr besetzt. Auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Mykologie findet man unter www.dgfm-ev.de die Kontaktdaten von ausgebildeten und geprüften Sachverständigen, die ehrenamtlich die gesammelten Pilze in Augenschein nehmen. In der Region Hannover sind das Andreas Tolxdorf und Dennis Krajewski.

Im vergangenen Jahr hat Krajewski 16 dieser „Korbkontrollen“ gemacht, in diesem Sommer waren es bislang drei. „Die Saison geht jetzt los. Viele Menschen vertrauen auf Apps zur Bestimmung – die geben aber nur eine Richtung vor.“ Auch anhand von Fotos dürfen er und seine Kolleginnen und Kollegen keine Freigabe geben. „Man muss sich zu 100 Prozent sicher sein, ob man den Pilz essen kann. 99 Prozent reicht nicht.“

Krajenski macht auch Notfallberatungen, meist vermittelt über das Giftinformationszentrum in Göttingen. Und rät Eltern zu mehr Aufmerksamkeit bei Kleinkindern. „In den meisten Fällen ging es darum, dass die Kinder Kleinpilze in Gärten, Parks oder auf Campingplätzen herunterschlucken.“

Auch der Klimawandel zeige seine Folgen, Krajewski stellt sich darauf ein: „Die Pilzwelt wird vielfältiger und gefährlicher, weil neue Arten heimisch werden. Deshalb bilde ich mich ständig fort.“

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