Diese Liste mit 17 Acts (in der „Essentials“-Playlist finden sich noch viele weitere) stellt keine Charts dar, sondern sie spiegelt subjektive, persönliche Eindrücke des Autors von sehr, sehr vielen Konzerten und dem Hören von mehr als 300 Hannover-Songs aus diesem Jahr und jeweils ebenso vielen in den vergangenen Jahren wider.
■ 17Ein junger Singer-Songwriter, dem das Jazzige von Jamie Cullum und das Flehende von James Bay nicht fremd sind. Seine Stimme wäre flauschig genug für irgendwas in der Werbung, aber seine Songs wie „Valerie“ sind dafür zu schlau und feingliedrig.
■ 16Wüst (ehemals: die Erregung) hält die Fahne für Krach- und Brüll-Rock hoch. Der Song „Bildet Banden“ ist ein Aufruf zur Solidarität aller, die sich mit Klima- und sonstigen Katastrophen noch nicht abgefunden haben – die „Mauer aus Entschlossenheit!“, wie es im Refrain heißt.
■ 15Tanzbarer Flottpop, ungedrechselte Texte: „Grüne Augen“ wäre fast lupenreine Neue Deutsche Welle, wären da nicht Sounds, die an Ultravox und OMD denken lassen. Eigentlich schon ein bisschen zu groß(artig) für kleine Clubs.
■ 14Vier Jungs eignen sich den Achtziger-Hairspray-Metal à la Poison kulturell an. Wären sie nur schrill, wär’s eine Karikatur. Weil sie aber richtig gut sind, ist es eine Hommage. Songs wie „Lick it“, Stirnband und Nietengürtel haben sie zum Landessieger des Local-Heroes-Wettbewerbs gemacht.
■ 12Als Künstlerin hat Jeanie schon mehrere Häutungen hinter sich. „The Voice of Germany“, Deutschpop unter dem Namen Celina, jetzt wieder Jeanie: Indie-Neo-Soul mit Vintage-Appeal. Wenn der Alltag wie ein Pancake ist, dann ist „Inner child“ der Ahornsirup darauf.
■ 11Der Hype um Michèl von Wussow war 2023 größer. Jetzt führt die Emanzipation vom Newcomer zum etablierten Artist über ein steiniges Wegstück. Dabei sind die Songs vom Album „Traum B“ nicht weniger stark als frühere, und „Mitte 20 im Arsch“ ist eine kratzbürstige Hymne.
■ 10Ein politischer Song beschließt die Pop-Phase der Brüder Jonas und Leonard Ottolien. „Das Wort“ trifft den Nerv, als Hunderttausende gegen „Remigrations“-Fantasten demonstrieren. Jetzt schwenkt die Band auf gitarrenlastigen Indie-Sound um – spannend.
■ 9Jazz, Elektro und Disco zu einem neuen Akademiker-Tanzsound kombiniert: Pianistin und Sängerin Sophia Göken, Schlagzeuger Benedikt Bienert und Bassist Michel Lühring machen es als Trio Vylla vor. Zugleich festival- und salonfähig.
■ 8Neo-Soul am Übergang zu Future Soul. Joy Bogats Song „Thirsty“ überragt die anderen Lieder vom starken Album „Fabric of Dreams“. Er klingt nach radikaler Eigenständig- und Eigenwilligkeit und dabei doch ganz organisch. Als hätten sich Rap, Slam Poetry, Downtempo und New Age immer schon nach dieser Verbindung gesehnt.
■ 7Vinter (Nicola Kilimann) besingt in „The midday sun“ über einem trügerisch braven Indie-Achteltakt die Dekomposition einer Beziehung. Der Song wird durch das Video (Youtube; Henrik Lührsen, Joschua Lange) zum Kunstwerk.
■ 6Das Album „Baby Steps“ erscheint im Februar 2025, einige Balladen sind schon veröffentlicht. Mit ihrer eindringlichen Stimme unternimmt Erika Emerson eine Tiefenbohrung in die eigenen Emotionen. Sie findet Verletzlichkeit und Songs wie „Say hello“. Schon mal live im Musikzentrum gehört – einige hatten Tränen in den Augen.
■ 5Diese Musik steht irgendwie mit sich selbst auf Kriegsfuß. Poröse Zeilen in Wischi-waschi-Hallräumen, eine Überdosis E-Drums, New-Wave-Bass und Trance-Synths verabreden sich zur Keilerei im Club. In „ich war da“ gibt es musikalisch auf die Mütze, aber die zeitgeistgestärkte Haltung bleibt jederzeit stabil. Mitreißend!
■ 4Maischa Perdelwitz und Paul Richter veröffentlichen als Duo Wezn (sprich: Wesen) fein ziselierte Hymnen, in denen das ganze Jahr durch Herbst ist. Auf dem Album „Meet me in the middle“ ragen der Titelsong, „Golden“ und „Come alive“ heraus.
■ 2Vier Solistinnen und Solisten schließen sich zu einer Art Supergroup zusammen. Nic Knoll, Nina Freckles, Emilie Sandin und Darian Tabatabaei bringen jeweils eine große Portion Ego, aber noch viel mehr Talent mit. Der Song „America“ zur US-Wahl und Donald Trump ist der bisher einzige veröffentlichte Song. Aber das reicht für den Podiumsplatz: Hannovers spannendste Newcomer-Band 2024.
■ 1Keine Band, kein eigener Song – aber trotzdem: Das Hidden Kollektiv ist das wichtigste Musikprojekt des Jahres in der Stadt. Bis zu 40 herausragende Kreative der Bereiche Film, Medien, Musik und Design haben sich für bisher zehn Sessions zusammengetan. Sie produzieren mit international renommierten sowie national relevanten Künstlerinnen und Künstlern wie etwa Lau Noah, Sirintip, Fatoni, Enno Bunger und Antje Shomaker die nach eigener Bezeichnung „livesten Musikvideos der Welt“. Das Ganze passiert im Badenstedter Magic Mile Studio von Volker Pape. Zum Abschluss des Jahres hat die Hidden-Crew mit Sängerin Noah, Pianist Shai Maestro und lokaler Unterstützung ein unwirklich schönes Konzert in der Skatehalle Gleis D in Hainholz organisiert. All das ist in der Form deutschlandweit einmalig, erfährt im Musikgeschäft viel Beachtung. Für die Musik und den strategischen Hannover-Standort-Ansatz: Note eins mit Sternchen.