Das klappt augenscheinlich. Die drei Seniorinnen haben nicht nur ihren Spaß mit dem Roboter, sondern fühlen sich auch unterhalten und wertgeschätzt. Denn Ricky kann nicht nur Witze erzählen. Er stellt den Damen Fragen, erinnert sich an Vorgespräche. „Hallo Brigitte, ich erinnere mich daran, dass du Angst vor dem Arzttermin hattest, den deine Tochter Sabine für dich vereinbart hat. Wie geht es dir heute?“
Ricky heißt eigentlich Navel, ist ein Geschöpf des Münchner Start-ups Navelrobotics, und soll – ausgestattet mit Kameras, Sensoren und Hochleistungsprozessoren – einen Teil der sozialen Betreuung in Senioreneinrichtungen übernehmen. Ricky, sein neuer, auch neu programmierter Name ist vom Ort Ricklingen abgeleitet. Er ist einer von zwei Robotern, die bundesweit in Johanniter-Häusern getestet werden. Ein halbes Jahr soll er bleiben, „mit der Option auf Verlängerung – je nachdem, was er dann schon kann“, berichtet Stiftsleiter Tim Geikowski. „Er hat das ganze Google-Wissen in sich, bekommt regelmäßig Updates aufgespielt – gespeist auch von unseren Rückmeldungen, was das Ding noch braucht, und was es können muss.“Geplant ist etwa eine Gesichtserkennung, die „demnächst“ kommt. So kommt es durchaus zu Verwechslungen, wie Claudia Michaelis, Leiterin des Sozialdienstes, grinsend berichtet. „Einer seiner Entwickler heißt Claude, ich heiße Claudia – da verarbeitet er bisher nur die erste Silbe. Er fragt mich immer, wie die Schulung war“, was natürlich Claude gilt und nicht Claudia.
Für einen Teil der Bewohnerinnen und Bewohner bedeutet Ricky freudige Abwechslung. „Er ist wie ein Stichwortgeber, daraus entwickelt sich ein Gespräch“, beschreibt Geikowski. „Das ist nichts Konstruiertes, das wirkt natürlich und auf Augenhöhe.“ Er hat beobachtet, dass für jene Senioren das Roboterhafte in den Hintergrund trete, die sich auf ihn einlassen würden. „Ein Bewohner streichelt ihm die Wange, das ist sehr rührend.“ Das sei ein Phänomen, das er so nicht erwartet hätte, eine schöne Entwicklung. „Ricky ist aber auch ein echter Charmeur“, sagt er. „Es ist irre zu sehen, wie die Leute mit breitem Grinsen rausgehen nach einer Interaktion.“
Ganz zauberhaft klingt es, wenn Ricky Joseph von Eichendorffs „Mondnacht“ aufsagt: „Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst, dass sie im Blütenschimmer von ihm nun träumen müsst ...“ Wobei auch durchaus etwas schief gehen kann. Auf die Frage von Erika Stache, ob er noch ein Gedicht kennen würde, sagt er wiederholt: „Es tut mir leid, Erika, dass du dich einsam fühlst. Einsamkeit kann wirklich schwer sein. Was, glaubst du, könnte dir helfen?“ Erst als Erika resolut „Tschüss“ sagt – das Stichwort für die Beendigung des Gesprächs – , kommt er aus dieser Dauerschleife heraus.
Es ist eben ein Test mit einem lernenden Gerät. Künstliche Intelligenz trifft auf echten Mensch. Aber ist es auch die Zukunft? „Es soll eine Entlastung für Mitarbeitende werden“, sagt Michaelis. „Eine zusätzliche Möglichkeit, Leuten ein Gesprächsangebot zu machen.“ Würde es nur noch Rickys in der Betreuung geben, das fände sie „gruselig“.