Der Weiterbetrieb des alten Fernsehturms als Werbepylon für Volkswagen Nutzfahrzeuge ist für das Unternehmen „keine Option“: So klar hat Markenvorstand Josef Baumert am Mittwochmorgen das voraussichtliche Ende des ikonischen Bauwerks hinter dem Hauptbahnhof in Hannover umrissen. Bei der Gelegenheit wurde bekannt: VWN hat bereits wenige Stunden, nachdem die HAZ die Abrisspläne erstmals öffentlich gemacht hatte, die formelle Abrissanzeige beim Bauamt der Stadt eingereicht und damit Fakten geschaffen.
VWN hatte den für das Fernmelde- und Fernsehwesen überflüssig gewordenen Turm im Jahr 2000 gekauft und darauf die Firmenlogos und den Schriftzug des hannoverschen Nutzfahrzeuge-Konzerns installiert. Immer wieder aber machte die Technik Probleme, zuletzt fiel 2020 ein backsteingroßer Betonbrocken hinab. Am vergangenen Mittwoch bestätigte die Stadt auf Nachfrage dieser Redaktion, dass das Unternehmen seit Monaten ganz konkret den Abriss vorbereitet.
Man habe sich die Entscheidung nicht leichtgemacht, betonte Baumert in der ersten öffentlichen Stellungnahme zum Abriss. Seit 2020 seien Gutachten zur Standsicherheit gefertigt und sei der Turm von Höhenkletterern an allen erdenklichen Stellen „geröntgt, abgeklopft und untersucht“ worden. Die Expertise der Fachleute sei aber eindeutig: Die Schäden würden immer größer, unter anderem durch Korrosion im Stahlbeton.
Der Turm stammt von 1959. Er sei „für eine Nutzungsdauer von 60 bis 70 Jahren gebaut worden“, sagte Baumert, der VWN-Markenvorstand für Produktion und Logistik ist und damit auch die Liegenschaftenverantwortung trägt. Mit dem Alter von jetzt 65 Jahren sei das Ende der Lebenszeit erreicht. Eine Sanierung müsse kurzfristig erfolgen und würde Jahre dauern, ohne dass Fachleute eine Garantie dafür gäben, dass die Standsicherheit dann für mehr als zehn bis 15 Jahre gewährleistet sei.
Konkrete Summen zu notwendigen Investitionen nannte Baumert zwar auch auf Nachfrage nicht und sprach nur von „mittleren“ und „ordentlichen zweistelligen Millionenbeträgen“. Offenbar aber müsste VWN den Gutachten zufolge ganz grob etwa 25 Millionen Euro für die Instandsetzung investieren und nochmal 25 Millionen Euro, wenn man eine öffentliche Nutzung wie Café, Disco oder Ähnliches einrichten wolle.
„Solch eine Investition abseits unseres Kerngeschäfts kann und wird VWN nicht übernehmen“, sagte Baumert. Man habe auch eine Verantwortung gegenüber den Beschäftigten im Werk. Er habe die Entscheidung im VWN-Vorstand zur Diskussion gestellt und ein einstimmiges Votum dafür bekommen, sich vom Turm zu trennen. Der Abriss kostet dem Vernehmen nach einen hohen einstelligen Millionenbetrag. VWN bestätigte allerdings keine Summen, auch sei die endgültige Entscheidung zum Rückbauverfahren noch nicht getroffen.
Hannovers Stadtverwaltung sei spätestens seit dem Schadensfall 2020 in die intensiven Gespräche einbezogen, sagte Baumert. Die Stadtspitze verhalte sich jetzt „so, wie man es von einer Stadt erwartet“: Sie kämpfe für den Erhalt eines ortsbildprägenden Bauwerks. Deshalb sei man offen für eine Weitergabe der Immobilie, wenn sich ein seriöser Käufer mit einem schlüssigen Konzept finde, werde das aber nur im Einklang mit der Stadt entschieden. Baumert kündigte an, dass VWN sich dann auch finanziell beteiligen wolle.
Ideen gibt es inzwischen etliche für eine Nachnutzung des Turms, vom Café mit Konferenzzentrum bis zur Eventlocation mit Disco- und Konzertbetrieb. Zum neuen Problem der Standsicherheit kommen allerdings die alten Probleme mit der Erreichbarkeit der Techniketage: Der Turm war nie für öffentliche Nutzungen gebaut. Er hat nur einen engen Aufzug und eine sehr enge Treppe.
Stadtbaurat Thomas Vielhaber hatte kürzlich angekündigt, Ideen in die neue Masterplanung für die Plätze hinterm Hauptbahnhof einfließen lassen zu wollen. Die Stadt macht sich jetzt zwar für den Erhalt des Bauwerks stark, hat aber ebenso wie VWN die Abrisspläne möglichst lange vertraulich behandelt. Erst als diese Redaktion eine Anfrage bei der Stadt stellte, wurden die Ratspolitikerinnen und -politiker informiert.
Ob sich nun kurzffristig noch seriöse und finanzstarke Nachnutzer finden? „VWN gibt uns nicht genug Zeit“, schimpfte SPD-Ratsfraktionschef Lars Kelich am Mittwoch erneut: „Es ist krass, wie die agieren, sie haben doch auch eine Verantwortung für den Standort.“ Der größte Arbeitgeber Hannovers habe „den Turm 25 Jahre lang als Werbeträger genutzt und zieht sich jetzt aus der Affäre“.
Baumert dagegen sagt, er könne kaum ruhig schlafen, wenn der Turm nicht so schnell wie möglich abgetragen werde. Zwar sei das Bauwerk in seiner derzeitigen Form von Experten als standsicher deklariert, allerdings sei die Standsicherheit einem Gutachten vom 31. August 2023 zufolge „grenzwertig“, sagte Baumert.
Die Verkehrssicherheit sei vorhanden. Seit der letzten Inspektion aber seien neue Abplatzungen am Stahlbeton entstanden. Trotz aller Untersuchen könne niemand definitiv ausschließen, wann wieder ein Betonteil zu Boden fallen werde. „Ich mag mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ein größeres Stück abplatzt und jemand zu Schaden kommt“, sagt Baumert.
Als Verantwortlicher wolle er daher den Abriss so schnell wie möglich, wenn nicht jemand anderes den Turm übernehme, sagte Baumert. Einen Zeitpunkt nannte der Markenvorstand auf Nachfrage nicht. Bei der Neugestaltung des Platzes wolle man sich beteiligen. Denkbar seien „Bäume oder Brunnen oder eine Skulptur“, sagte Baumert.
Definitiv aber wolle VWN die eigenen Leuchtschriften und Logos noch in diesem Jahr vom Turm entfernen. Die großflächigen Leuchtkörper stellten eine erhebliche Windlast dar, was den Turm weiter beanspruche. In wenigen Wochen sollen die Anlieger über den bevorstehenden Rückbau informiert werden.