Die Wirtschaftsspitzen von Stadt- und Regionsverwaltung haben den neuen Immobilienmarktbericht vorgestellt, und diesmal gibt es wenig zu feiern. Der Bericht ist eigentlich mehr was für die Profis der Branche als für Normalverbraucher. Aber erstens gibt er einen guten Ausblick, wohin sich die regionale Wirtschaft insgesamt entwickelt, zweitens tut es ja auch Interessierten gut, sich mit der Herangehensweise von Profis vertraut zu machen.
Und die geht, was zum Beispiel den Wohnungsmarkt betrifft, im Wesentlichen so: Neubau ist für Wohnbauunternehmen und Projektentwickler eigentlich kaum noch möglich, weil die Kosten so hoch sind, dass sie über akzeptable Mieten nicht realistisch einzuspielen sind. „Dass es der Branche trotzdem noch einigermaßen geht, liegt einzig daran, dass die Mieteinnahmen in bereits bestehenden Gebäuden relativ gut sind“, sagt Schulten. Nur: Das ist natürlich kein Konzept für die Zukunft einer Branche, sondern höchstens eine Behelfslösung, wie man das aktuelle Investitionstal durchstehen kann.
Überall zeichnen sich Auswirkungen dieser Polykrise aus Inflation, Materialmangel und Finanzierungskosten ab. Zwar wird aktuell noch viel gebaut. Aber die Genehmigungszahlen gehen bereits zurück, künftige Projekte werden gestoppt. Die KSG etwa, kommunale Wohnbaugesellschaft der Region, stellt den Neubau von 700 geplanten Wohnungen in Hannover und einigen Umlandkommunen vorerst zurück. Beim privaten Bauverband BFW heißt es, Wohnungsneubau sei eigentlich nur noch bei Kaltmiet-Quadratmeterpreisen von 26 Euro möglich und daher nicht mehr rentabel.
Einige Unternehmen reagieren pfiffig, zum Beispiel Meravis. Weil das Geschäft mit Eigentumswohnungen derzeit stark lahmt, bietet man jetzt Mietkauf für Neubauwohnungen an: Zunächst wird gemietet, später kann bei Kaufinteresse ein Teil der Miete auf den Erwerb angerechnet werden. So wolle man ausgleichen, dass der Bundesgesetzgeber nicht einmal beim jüngsten Wohnbaugipfel in der Lage gewesen sei, zielführende Vorschläge zur Vereinfachung im Wohnungsbau vorzulegen. „Bei uns Wohnungsbauunternehmen kocht es“, sagt Meravis-Chef Mathias Herter. Der Markt mit dem gewerblichen Kauf- und Verkauf von Mehrfamilienhäusern ist auch in Hannover weitgehend eingebrochen. Entsprechend sind die Preise auf ein Niveau sehr deutlich unter dem von 2018 gefallen. Aber auch in anderen Wohnimmobilien-Segmenten gehen die Preise zurück: bei gebrauchten Eigentumswohnungen sowie Doppel- und Reihenhäusern regionsweit im Schnitt um 10 Prozent, bei Ein- und Zweifamilienhäusern um 14 Prozent (jeweils erstes Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal).
Auch bei Neubauten sinken die Preise. Exemplarisch nennt der Bericht Eigentumswohnungen in Hannover. Deren Durchschnitts-Quadratmeterpreise waren von 2018 bis 2022 noch von 3950 auf 5200 Euro geklettert, fielen nun aber bis zum Sommer 2023 zurück auf 5020 Euro.
Die Mieten steigen trotzdem. Im Spitzensegment benennt der Marktbericht für Neubauten einen Anstieg zwischen 2018 und 2023 von 15,50 auf 16,90 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete, für Wiedervermietungen von 12,90 auf 13,80 Euro. Die stadtweite Durchschnittsmiete für aktuelle Wiedervermietungen wird mit derzeit 9,80 Euro angegeben.
Die Stadt arbeitet derzeit an der Neuauflage ihrer Wohnbauoffensive, dafür sollen bis 2035 gut 16.000 zusätzliche Wohnungen entstehen. Wirtschaftsdezernentin Anja Ritschel (Grüne) lobte bei der Vorstellung des Berichts die große Verbundenheit der Branche mit Hannover. Die Wohnbauunternehmen seien nicht ausschließlich auf Rendite aus, sondern sähen es vorwiegend als ihre Aufgabe an, das Grundbedürfnis der Menschen nach Wohnraum zu erfüllen. Sie warnte vor einer Abkehr von hohen Energiestandards: „Alles, was heute gebaut wird, muss nachhaltig sein.“ Das sei „auch wirtschaftlich vernünftig, denn das Thema steigender Energiepreise wird uns weiter begleiten“.
Regions-Wirtschaftsdezernent Ulf-Birger Franz (SPD) wies darauf hin, dass der Wohnungsmarkt insbesondere auch für Studierende und Auszubildende immer enger werde. Wenn der Standort Hannover weiter auf Fachkräfte setze, müsse man diesen Menschen eine Wohnperspektive bieten.
Auch in diesem Segment werden aktuell noch viele Neubauten realisiert. Was aber künftige Projekte betrifft, sei „seit Anfang 2023 eine deutliche Beruhigung und ein Abwarten am Markt zu beobachten“, heißt es im Bericht. 165.000 Quadratmeter Bürofläche wurden 2022 fertiggestellt oder neu vermietet, das liegt im langjährigen Mittel. Die Spitzenmieten sind leicht gestiegen auf jetzt knapp 19 Euro. Die Leerstandsquote aber steigt. Regionsweit beträgt sie 5,2 Prozent – in der Landeshauptstadt 4,7 Prozent, in den größten Umlandgemeinden Garbsen, Laatzen und Langenhagen aber 8 Prozent.
Das Investmentvolumen am hannoverschen Büromarkt ging stark zurück auf nur noch 125 Millionen Euro. Neue Büroprojekte konzentrieren sich vielfach auf Angebote mit besserer Arbeitsatmosphäre und flexiblen Nutzungskonzepten. Die Unternehmen kämpften darum, Beschäftigte aus dem Homeoffice wieder ins Büro zurückzuholen, sagte Dezernent Franz. Ritschel wies darauf hin, dass es dringend Konzepte zur Modernisierung bestehender Bürokomplexe brauche – immer nur Abriss und Neubau seien keine Lösung.
Im stationären Einzelhandel gehen die Umsatzkennziffern seit 2018 zurück. Jetzt folgen auch die Mieten, die seit 2020 leicht sinken. Die Stadt könne mit Modernisierungen in der Innenstadt „nur Impulse geben“, habe aber kaum Einfluss etwa auf Leerstände, sagte Ritschel. Es sei erstaunlich, dass die Quadratmeter-Spitzenmieten in der Innenstadt weiterhin 170 Euro betrügen – wenn es dann Leerstand gebe, müssten sich die Eigentümer „vielleicht mal Gedanken machen, was man in schwierigen Zeiten anders machen kann“, so Ritschel.
Laut Bericht zählt Hannover aber weiterhin zu den deutschen Top-Handelslagen. 8,14 Milliarden Euro Umsatz würden 2023 regionsweit im Handel umgesetzt. Für die Innenstadt seien allein im ersten Halbjahr Handels-Mietverträge über 4000 Quadratmeter neu abgeschlossen worden – im langjährigen Mittel seien es 4700 Quadratmeter in vollen Jahren gewesen, wird im Bericht erläutert.
Die Hotelbranche legt zwar bundesweit wieder zu. Regionsweit aber wurden 2022 nur 3,6 Millionen Übernachtungen gezählt – das sind 21 Prozent weniger als vor Corona. Dieses Jahr scheint es etwas besser zu werden. Allerdings wird die Konkurrenz immer größer. Die Zahl der Betten stieg zuletzt wegen Neueröffnungen um 3500 auf 16.045. Und bis 2025 öffnen mindestens noch zwei neue Hotels mit je etwa 500 Zimmern (Penta-Hotel im alten Maritim-Grandhotel; PremierInn neben dem Bredero-Hochhaus). Und an der Kurt-Schumacher-Straße will noch 2023 das June Six in den alten Räumen des Loccumer Hofs eröffnen. Für alteingesessene Hotels wird es also immer schwieriger.
Das Logistik-Segment bereitet den Branchenbeobachtern meist Freude. Seit Jahren aber lähmt Flächenmangel regionsweit die Neuansiedlungen. Entsprechend stiegen die Spitzenmieten zuletzt um fast 10 Prozent an auf 5,80 Euro pro Quadratmeter. In diesem Jahr hofft die Branche auf einen weiteren Anstieg auf 6,30 Euro, getrieben auch vom Onlinehandel. Dezernent Franz sagte allerdings, dass man angesichts des Flächenfraßes zunehmend die Revitalisierung von Gewerbebrachen in den Blick nehme. Gut sei, dass es neuerdings auch zweigeschossige Logistikkonzepte gebe.
Der Immobilienmarktbericht 2023 ist vollständig abrufbar unter immobilienmarktbericht-hannover.de im Internet.