Dann versteht man, was Regisseur Nikos Hippler meint, wenn er von einem „Hexenkessel“ spricht, vom spanischen Feuer, das man im GOP-Varieté entfachen will. „Sentimientos“ heißt die aktuelle Show mit Artisten, Musikern und Tänzerinnen aus Spanien. Oder wie es Direktorin Nadine Matzat ausdrückt: „Wir verlängern den Sommer um zwei Monate.“
Maria Madrid tanzt im schwarzen Frack Flamenco. Jede Geste hat Bedeutung, jeder Blick Tiefe. Pure Energie von den Fingerspitzen bis zum kleinen Zeh. Das gilt auch für Tanzpartnerin Alejandra Castel, die zusammen mit allen anderen Artistinnen und Artisten die starken Ensemble-Choreografien von Svenja Krebeck fantastisch umsetzt.Es ist eine Show für Multitalente: Antonio Vargas Montiel verbindet kraftvollen Flamenco mit Handstandkunst auf einem Stuhl, La Suricata zaubert mit leuchtenden Hula-Hoop-Reifen überraschende 3-D-Effekte in die Luft, Beatrice Corral Grimaldo verwandelt die Schleppe ihres Kleides in leuchtend rote Vertikaltücher, in denen sie über der Bühne schwebt.
Shyno ist ein Energiebündel: Der Breakdancer holt ein Utensil auf die Bühne, das selbst versierte Varieté-Fans zum Staunen bringt – er zeigt bekannte Nummern wie Handstand auf dem rotierenden Hoverboard, das rollende Brett erfordert dabei maximale Körperbeherrschung. Die hat auch Pole-Artistin Carolina Padrón, deren knappes Kostüm Sinn macht: Sie klebt in manchen Momenten nur mit wenigen Zentimetern Haut an der Stange. „Sentimientos“ ist ein Abend der großen Gefühle, ein Fest für Auge und Ohr, denn Darbietungen und Musik geben ein stimmiges Bild. Sogar die Pausenankündigung verursacht Gänsehaut: Alle Artistinnen und Artisten tragen mit sanftem Singsang Lampen an den Bühnenrand.
Und doch sind es einzelne Nummern, die herausstechen: Deibit und Nymeria bringen ein exotisch anmutendes Gestänge mit auf die Bühne, Schwerkraft und Balance sind hier die Herausforderung. Das wirkt kompliziert, dabei sind die Gesetze des Varietés ganz einfach – es geht immer darum, die Welt auf den Kopf zu stellen. Zum Beispiel, indem man die Rollen tauscht: Nymeria hängt kopfüber an einem Seil, an ihren ausgestreckten Beinen baumelt ihr Partner – der kein Leichtgewicht ist. Raunen im Saal angesichts dieser Artistik. Muchas gracias für diesen Moment!
Und dann sind da Miguel Sotelo und Carlos Chavez, der eine Typ gemütlicher Brummbär, der andere waschbrettbäuchiger Womanizer, der für sich selber Glitzerkonfetti streut und mit dem (weiblichen) Publikum schäkert. „Wir sind Machos, keine Nachos“, sagen sie selbstbewusst – auch wenn manche ihrer Witze und Wortspielereien aus den Tiefen der Klischeekiste stammen und nicht gerade knusprig wirken. Lachen oder Fremdschämen? Es ist ein schmaler Grat, doch dem Duo verzeiht man bereitwillig, sobald die beiden Männer zu den Gitarren greifen – sie sind Meister an den Instrumenten, von „Bamboléo“ bis „La Bamba“ bringen sie das Publikum zum Ausrasten.
„Sentimientos“ läuft bis 5. November im GOP (Georgstraße 36), Vorstellungen dienstags bis sonntags. Tickets kosten 35 bis 49 Euro. Infos unter www.variete.de