Spätestens mit dem Beitritt zum Insektenbündnis Hannover legt die Stadt besonderen Wert auf ihre Blühwiesen. Das Bündnis wurde Ende 2020 von mehreren Umweltorganisationen wie Nabu, BUND, Umweltzentrum und der Region Hannover gegründet, um den Insektenschutz in der Stadt voranzutreiben.
Anlass war das Insektensterben, hervorgerufen etwa durch versiegelte Böden und durch die industrielle Landwirtschaft. Inzwischen gehören 20 Partner dem lokalen Verbund an. Ausgebracht auf die Blühwiesenflächen werden extra entwickelte verschiedene Saatgutmischungen, die für die unterschiedlichen Standorte in der Stadt geeignet sind: die „Hannover-Mischungen“.
Damit zum Beispiel Käfer, Schwebfliegen, Wildbienen und Schmetterlinge, die für das ökologische Gleichgewicht wichtig sind, sowohl im Sommer als auch in der kalten Jahreszeit auf den städtischen Grünflächen Nahrung, Lebens- und Rückzugsraum zugleich finden, werden diese Flächen nach einem ausgeklügelten System gemäht. „Mahd“ heißt dies in Fachkreisen. Auf einigen Wiesen rücken die städtischen Mäher bereits an, wenn die Blumen noch in voller Blüte stehen. In anderen Bereichen bleiben sie so lange stehen, bis sie verblüht und vertrocknet sind. Das Mähen in Etappen sorgt für Artenvielfalt.
Ob vorzeitiges Abmähen der Blütenpracht oder Stehenlassen des hellbraunen, vertrockneten Gestrüpps – „beides sorgt bei den Bürgern Hannovers oft für Irritationen“, sagt Sabine Schröder, die Sachgebietsleiterin Grünflächenpflege im Fachbereich Umwelt und Stadtgrün. „Sowohl das Abmähen als auch das Stehenlassen erfüllt aber seinen Zweck. Das Gesamtmosaik der Wiesen wollen wir möglichst vielfältig gestalten, um Insekten zu jeder Zeit des Jahres eine Lebensgrundlage zu bieten.“ Die Bemühungen der Stadt zeigen erste positive Ergebnisse: Auf einer Fläche am Emmy-Lanzke-Weg in Vahrenwald hat die Stadt festgestellt, dass sich bestandsgefährdete Insekten und ihre Räuber dort wieder angesiedelt haben. Aktuell läuft ein stadtweites Monitoring für gleich sieben Blühwiesen in Zuständigkeit der sieben städtischen Betriebshöfe.
Mosaikmahd statt Kahlschlag heißt es bei den städtischen Mitarbeitern, die sich um den Schnitt kümmern. Bedeutet: Die Wiesen unterliegen einer jahreszeitlichen Bearbeitung, die sich zeitlich und von der Häufigkeit her unterscheidet. „Auch der Anteil gemähter und belassener Fläche variiert“, sagt Andreas Strohdach, Betriebsleiter vom Werkhof im Hermann-Löns-Park. „Die verblühten und vertrockneten Stängel bleiben an dieser Stelle bis zum nächsten Frühjahr stehen, auch wenn es chaotisch wirken mag nach außen.“ Ziel sei es, den Insekten mit diesem Mosaik aus gemähten und nicht gemähten Flächen ein dauerhaftes Nahrungsangebot und Lebensräume anzubieten.
Die Stadt wendet insgesamt drei unterschiedliche Mähintervalle an: Die „zweifache Mahd“ im Mai und Juni sowie im September und Oktober fördert die Blütenentwicklung. „Eine Fläche, die gemäht wird, wenn sie noch blüht, entwickelt oft noch eine zweite Blüte später im Jahr“, erklärt Sabine Schröder. Dadurch verlängere sich der Blütenzeitraum und damit das Nahrungsangebot für die Insekten.
Zweitens, die „Herbstmahd“: Sie gibt Larven die Chance, sich zu entwickeln. „Wenn erst im Herbst gemäht wird, haben die Insekten genug Zeit, ihre verschiedenen Entwicklungsstadien zu durchlaufen vom Ei, zur Larve, zur Raupe bis zum Falter“, so die Sachgebietsleiterin. Wenn dann im Herbst gemäht werde, seien die Larven bereits geschlüpft und mobil: „Sie können damit auf benachbarte Flächen ausweichen, die nicht gemäht sind.“
Schlussendlich gibt es noch die „Sommermahd“. Sie lässt den Insekten Raum zum Überwintern. Für Insekten seien diese Flächen überlebenswichtig, denn dort fänden sie ein Versteck, so Sabine Schröder. Etwa in den Hohlräumen von Grashalmen. „Viele Insekten fallen in Winterstarre und verpuppen sich, andere produzieren eine Art körpereigenes Frostschutzmittel, das sie vor dem Erfrieren schützt.“
Diese „Struktur der gewollten Unordnung“, wie Sabine Schröder das Wiesenmosaik auch nennt, wendet die Stadt auf allen Flächen an – egal, wie groß sie sind. Etwa im Hermann-Löns-Park (30 Hektar) oder auf der Mardalwiese (knapp 30 Hektar), im Stadtteilpark Steinbruchsfeld in Misburg oder auf den eher kleineren Flächen des sogenannten Verkehrsgrüns entlang von Straßen. Und wenn’s richtig schön bunt ist, wie zum Beispiel am Duve-Brunnen auf dem Mittelstreifen des Leibnizufers, dann ist auch Andreas Strohdach sehr zufrieden: „Es kommt was. Es blüht was. Da ist ordentlich was drin. Das ist das Schönste.“