Jedes Jahr versprechen wir uns „ein entspanntes Weihnachten“ – und jedes Jahr scheitern wir glorreich an Menschen, Erwartungen und der Realität. Zwischen Katzen, die sich an Bäumen festkrallen, und Verwandten, die Lebensentscheidungen kommentieren, bleibt wenig Raum für Besinnlichkeit. Aber keine Sorge: Dieser Ratgeber bringt Ordnung ins Chaos. Mit Humor und jener Portion Selbstschutz, die unter dem Tannenbaum leider Pflicht ist.
Wie reagiere ich auf Geschenke, über die ich mich nicht freue?
Mit höflicher simulierter Dankbarkeit. Legen Sie sich passende Sätze zurecht. Socken? „Praktisch, davon kann man nie genug haben.“ Plastikgestecke aus dem 1-Euro-Shop? „Das ist aber schön bunt.“ Unidentifizierbare Bastel-Projekte? „Mal was ganz Individuelles.“ Danach lächeln Sie freundlich. Denn: Der Schenkende hat sich bestimmt etwas dabei gedacht. Und sei es nur: „Das war gerade billig zu haben – und da dachte ich, das passt zu dir.”
Meine Gäste sagen alle „Wir wollen dieses Jahr nichts Großes“ – aber bringen dann doch überteuerte Geschenke. Was mache ich?
Erkennen Sie an, dass diese Menschen an einer weit verbreiteten weihnachtlichen Kommunikationsstörung leiden: der Understatement-Überkompensationssymptomatik. Das bedeutet, sie behaupten demonstrativ, sie wollten „diesmal klein feiern“, kaufen dann aber Dinge, die ein mittelständisches Unternehmen finanzieren könnten. Die einzig richtige Antwort lautet: Kontern Sie mit radikaler Ehrlichkeit. Sagen Sie: „Ich halte mich dieses Jahr wirklich zurück. Hier ist ein selbstgebastelter Gutschein für emotional bessere Zeiten.“ Während alle noch irritiert blinzeln, beobachten Sie, wie sich ein Gefühl von Überlegenheit in Ihnen ausbreitet wie warme Vanillesoße über altem Stollen. Sollte jemand beleidigt sein, denken Sie daran: Sie haben nicht gelogen. Sie haben lediglich Prioritäten gesetzt. Endlich.
Wie halte ich meine Katze vom Weihnachtsbaum fern?
Indem sie den Baum in einem Zimmer aufstellen, zu dem die Katze keinen Zutritt erlangt. Vergessen Sie Hausmittel wie Pfefferminzspray und Co., sie wirken ohnehin nicht. Katzen haben nämlich die Eigenschaft, immer am allerliebsten dort zu sein, wo man sie gerade am wenigsten gebrauchen kann. Kratzbaum und Weihnachtsbaum passen einfach nicht zusammen. Wenn Sie unbedingt einen Baum wollen, sperren Sie die Katze aus. Eine Extra-Tasse Punsch bekommt derjenige, der das darauffolgende Katzengeschrei für mehr als eine Stunde aushält. Verschenken Sie den Weihnachtsbaum und besuchen Sie stattdessen katzenlose Mitmenschen, um sich an deren Baum zu erfreuen. Experten-Tipp: Lassen Sie dafür die Katze zu Hause.
Wie bringe ich meine Familie dazu, pünktlich zu sein?
Pünktlichkeit an Weihnachten ist ein gesellschaftliches Fantasieprodukt, das in der Realität etwa so existiert wie das Christkind, nur mit schlechterer PR. Sagen Sie Ihrer Familie einfach, das Essen sei für 15 Uhr geplant, obwohl Sie es erst für 17 Uhr ansetzen. Seien Sie beruhigt: Diese Menschen sind genetisch nicht imstande, zu früh zu erscheinen. Selbst wenn Sie ihnen 14 Uhr sagen, kommen sie um 16.17 Uhr, wahlweise mit dem Argument: „Wir mussten noch tanken“ oder „Der Hund hat so komisch geguckt“. Und wenn sie trotz dieses Tricks zu spät kommen? Begrüßen Sie die Meute mit: „Wie schön, ihr seid genau zum Dessert gekommen.“ Das ist sozial akzeptiert und christlich genug, um durchzugehen.
Wie verhindere ich, dass meine Gäste über den schiefen Baum urteilen?
Gar nicht. Menschen urteilen über ALLES. Besonders an Weihnachten, wenn alle emotional so stabil sind wie Zuckerguss auf einem angekauten Zimtstern. Drehen Sie deshalb lieber die Erzählung: „Der Baum steht schief? Das ist Kunst. Das ist skandinavisch inspiriert. Das ist bewusst asymmetrisch.“ Falls jemand widerspricht, schicken Sie ihn vor die Tür, um „mal kurz rauszugehen und über seinen ästhetischen Horizont nachzudenken“.Wie gehe ich damit um, dass meine Familie an Heiligabend komplett eskaliert?
Lassen Sie sie. Weihnachten ist emotionaler Hochleistungssport. Arbeiten Sie lieber mit dem Flow: Wenn die Stimmung kippt, greifen Sie einfach kommentarlos in eine Schale mit Dominosteinen und beginnen, Schloss Neuschwanstein im Maßstab 1:150 nachzubauen. Niemand traut sich, jemanden zu stören, der in konzentrierter Stille einen Konfiserie-Palast errichtet. Bonus: Es lenkt davon ab, dass Sie innerlich längst weg sind.
Wie verhindere ich, dass die Kinder sich nach dem dritten Geschenk langweilen?
Sie tun es sowieso. Kinder langweilen sich an Weihnachten aus Tradition – nach 15 Minuten ist alles uninteressant, außer dem Geschenk des Cousins, das sie aus Prinzip spannender finden. Wenn die Kinder sagen: „Mir ist langweilig“, antworten Sie: „Wunderbar! Dann setz dich zu mir, ich hab auch Langeweile.“ Das ist das pädagogische Äquivalent zu einer Kaltdusche. Die Kinder verschwinden sofort in ein anderes Zimmer. Freiheit für alle.
Was mache ich, wenn jemand behauptet, Kinder müssten sofort ihr neues Spielzeug teilen?
Sie sagen: „Teilen ist etwas Wundervolles. Vor allem, wenn Erwachsene damit anfangen.“ Er wird protestieren: „So war das nicht gemeint!“ Doch. Genau so. Das Wort „teilen“ wird im Dezember hauptsächlich benutzt, um Kinder emotional zu erpressen. Bringen Sie ein Gegenangebot: „Ich teile dann auch mein neues Parfum mit dir. Großzügig. Auf deiner Kleidung.“ Danach herrscht mit Sicherheit stille Nacht.
Wie vermeide ich, dass jemand mir ungefragt Tipps über meine Beziehung gibt?
Indem Sie auf die erste Bemerkung sofort antworten: „Spannend! Ich hätte auch einen Tipp für deine Beziehung – soll ich anfangen oder möchtest du zuerst?“ Menschen, die gern austeilen, können selten einstecken. Genießen Sie die betretene Stille, die folgt. Das ist der wahre Friede auf Erden.
Meine Enkelin ernährt sich vegan und kommt zum Weihnachtsessen. Was soll ich tun?
Zunächst beglückwünschen Sie Ihre Enkelin dafür, dass sie zu den wenigen Menschen gehört, denen Klimabilanz und Darmkrebsrisiko noch nicht völlig am Allerwertesten vorbeigehen. Danach fragen Sie sie einfach, ob sie Ihnen ein passendes Rezept zusenden kann. Falls das nicht klappen sollte, googeln Sie „veganer Maronenbraten“. Diesen bereiten Sie dann zum Weihnachtsfest zu, und zwar für alle. Verraten Sie einfach nicht, dass es vegan ist. Menschen lieben Überraschungen, solange sie nicht als „gesund“ gekennzeichnet sind. Schließen Sie vorher Wetten mit Ihrer Enkelin ab, wie viele Gäste den Braten riechen. Halten Sie eine kleine Schale Bockwurst mit Kartoffelsalat bereit, falls Onkel Herbert einen Herzkasper simuliert - für den Placebo-Effekt, nicht für den Geschmack.
Hilfe, meine Schwiegermutter möchte beim Kochen ‚unterstützen‘.
Atmen. Geben Sie ihr eine Aufgabe, die sie bis mindestens 18 Uhr beschäftigt: Kräuterblätter einzeln massieren, Rosinen in militärischer Formation ausrichten, Zwiebeln in exakt 12 gleiche Teile schneiden. Wenn Sie mutig sind, schicken Sie sie in einen anderen Raum, um „mal eben den Bratenspiegel zu polieren“. Es gibt keinen Bratenspiegel, aber falls sie fragt, sagen Sie: „Ach Mensch, dann hat Herbert den wieder mitgenommen.“ Herbert ist in diesem Kontext immer der Schuldige.
Wie werde ICH an Weihnachten stressfrei?
Indem Sie sich endlich zugestehen, dass Weihnachten kein Gefühl ist – sondern eine strategische Operation. Führen Sie sich folgende wissenschaftlich belegte Wahrheit vor Augen: Die meisten Menschen wissen selbst nicht, was sie wollen. Wenn jemand sagt: „Mach’s dir nicht so schwer“, meint er: „Mach’s so, wie ich es will, aber sag es nicht laut.“
Ihre Antwort: „Ich mache es mir so leicht wie möglich – indem ich aufhöre, euch zufriedenstellen zu wollen.“ Am Anfang ist das ungewohnt. Nach einer Stunde ist es Freiheit. Nach zwei Stunden ist es Gönnung. Und die wichtigste Regel lautet: Gönnung > Erwartungen. Essen Sie, was Sie wollen. Brechen Sie Gespräche ab, wenn sie toxisch werden. Und wenn alles schiefgeht? Sperren Sie sich ins Bad und essen Sie Dominosteine, bis das Leben wieder Sinn ergibt.