Seine Küche ist die Straße
Hobbykoch „Asphalt Kitchen“ zaubert in Hannover Speisen an unkonventionellen Orten:Bei Ikea, vor dem Rathaus oder dem Arbeitsamt

„Asphalt Kitchen“ sieht im Kochen auf der Straße eine Chance für soziale Arbeit: „Statt Jungs, die nichts mit sich anzufangen wissen, von Spielplätzen zu verscheuchen, sollte man ihnen lieber etwas bieten“, sagt er.Foto: Tobias Woelki
Hannover. Die Teriyakisauce wirft große, goldbraune Blasen in der Pfanne. Es duftet nach Knoblauch und Ingwer. „Asphalt Kitchen“ steht vor seinem Gaskocher auf dem ZOB und zeigt auf die blubbernde Masse. „Jetzt drehen wir noch mal richtig auf, bis die Teriyakisauce schreit“, sagt er grinsend. „Sie soll um Gnade winseln.“

„Asphalt Kitchen“ ist Hobbykoch, aber kein gewöhnlicher. Seine Küche ist überall. Seit zwei Monaten zieht der 25-jährige Hannoveraner mit Campingkochset und Kameramann durch die Stadt und kocht spontan an unkonventionellen Orten. Er hat schon Burger vor dem Arbeitsamt gebraten, Bruschetta in der U-Bahnstation serviert und Salat in der Ausstellungsküche bei Ikea angerichtet.

Kochen zur Unterhaltung ist keine neue Idee. TV-Kochshows gibt es, seit es Fernsehen gibt. Doch junge, multikulturelle Zuschauer erreichen diese Formate kaum noch. Sie feiern stattdessen Straßenköche wie „Sharo45“, „Ghostchef Kitchen“ und „Gio1neun“ in den sozialen Medien – und jetzt auch „Asphalt Kitchen“ in Hannover.

Heute hat er seine mobile Küche auf dem ZOB aufgebaut. Es gibt Lachsfilet und Garnelen mit Brokkoli, Reis und Teriyakisauce. Wer dem groß gewachsenen Koch zusieht, merkt schnell: Er hat Spaß am Kochen, nimmt sich dabei aber nicht zu ernst. „Es ist einfach, sich ein gutes Essen zu machen. Dafür braucht man keine Ausbildung“, betont er. Profi ist er nicht, wie er betont, aber er arbeite mit Leidenschaft.

Erst Anfang des Jahres entdeckte „Asphalt Kitchen“ das Kochen für sich. Früher lebte er von Fertiggerichten und hatte 20 Kilogramm mehr auf den Rippen. „Irgendwann habe ich gemerkt, was für einen Mist ich da esse, und mich mit Ernährung beschäftigt.“ Er begann, selbst zu kochen – mit frischen Zutaten, ausgewogen und gesünder. Das machte ihm so viel Spaß, dass er seine Leidenschaft teilen wollte.

Wo er kocht, entscheidet er meist spontan, oft erst am Abend vorher. Sein Kameramann, ein Freund, begleitet ihn dabei und filmt mit seinem Handy durch.

Sobald die Arbeitsfläche auf dem klapprigen Campingtisch vorbereitet ist, kocht „Asphalt Kitchen“ einfach drauflos. Er studiert nebenher kein Rezept, wiegt nichts sorgfältig ab. Das Lachsgericht hat er am Vortag zum ersten Mal ausprobiert. „Da habe ich mies verkackt“, sagt er lachend. „Aber ich hab mich noch mal eingelesen, heute wird’s besser.“

Während er kocht, kommentiert er sich selbst im lockeren Slang. „Was machen die Broks?“, fragt er, als er die Konsistenz des Brokkolis prüft. Dann greift er zu den Garnelen, „Garnis“, wie er sie nennt. Das Reiswasser schüttet er in den Gully mitten auf dem ZOB. „Das ist Street, Bro“, sagt er in die Kamera. Zwei ZOB-Mitarbeiter in gelben Westen, die neugierig nachfragen, was hier passiert, vertröstet er: „Kommt in zehn Minuten noch mal, meine Bres. Dann könnt ihr probieren.“

Auf dem Busbahnhof bleibt das Personal entspannt. Das ist nicht immer so. „Asphalt Kitchen“ kocht ohne Erlaubnis und wird fast immer darauf hingewiesen. Meist moderiert er den aufkeimenden Konflikt charmant. Doch als er im Arbeitsamt Burger verteilen wollte, eskalierte die Situation. Ein Sicherheitsmann stürmte auf ihn zu, schlug ihm den Burger aus der Hand und riss ihm das Handy weg. Den Hobbykoch schreckt das nicht ab. Das Spiel mit dem Verbotenen ist kalkuliertes Risiko. „Ein bisschen wollen wir provozieren“, gibt er zu. „Man muss ja auf sich aufmerksam machen.“ In seinem Instagram-Profil steht: Menschen überraschen – Grenzen testen.

Wenn jemand darauf bestehe, dass er geht, tue er das sofort, beteuert er. „Aber die meisten sind korrekt und lassen mich zumindest zu Ende kochen“, sagt er. „Wir machen ja nichts Böses, hinterlassen alles sauber und bieten jedem etwas an.“

Mit seiner Kunstfigur will „Asphalt Kitchen“ nicht nur unterhalten, sondern auch junge Menschen fürs Kochen begeistern. Der Hannoveraner mit russisch-marokkanischen Wurzeln wuchs in der List auf und kennt die Probleme zielloser Jugendlicher. „Statt Jungs, die nichts mit sich anzufangen wissen, von Spielplätzen zu verscheuchen, sollte man ihnen lieber etwas bieten.“ Straßenkochkurse zum Beispiel – eine Idee, die er als Chance für soziale Arbeit sieht. „Ich würde sofort mit der Stadt Hannover zusammenarbeiten, wenn da Interesse besteht.“

Nach eineinhalb Stunden ist das Essen fertig. Zwei Frauen, die auf ihren Fernbus warten, dürfen als Erste probieren – und sind begeistert. „So eine tolle Sauce“, schwärmt eine. Auch die ZOB-Mitarbeiter bekommen eine Portion. Nach dem ersten Bissen aus der braunen Pappschale entfährt dem einen ein anerkennendes „Masallah“ („Wie Gott es wollte“) – ein arabischer Ausdruck für Lob.

Zum Abschied gibt es für den Straßenkoch noch eine besondere Geste vom ZOB-Personal. Auf der Anzeigetafel wird die nächste Abfahrt angekündigt: „15.45 Uhr, Asphalt Kitchen, aus Hannover ZOB nach Hause, viel Erfolg!“ Der Koch lächelt zufrieden. „Ich würde sagen, Asphalt Kitchen war wieder eine erfolgreiche Story.“

Druckansicht