Ambitioniert ist sie und selbstbewusst. „Die Medizin wird allgemein weiblicher“, sagt die 38-Jährige mit den langen lockigen Haaren. „Aber in der Chirurgie und vor allem in der Herzchirurgie besetzen meist Männer Posten und Operationssäle.“ Frauenförderung sei dort noch nicht unbedingt angekommen. Das hat Ezin Deniz auch selbst erfahren müssen: „Ich bin schon übergangen worden bei Rotationen, obwohl ich eigentlich dran war. Zwei Männer haben mich damals überholt.“
Doch in ihrer Abteilung an der MHH ändern sich alte Muster und offenbar auch das männliche Chirurgen-Ego gerade. „Meine Vorgesetzten und Kollegen unterstützen mich nachhaltig“, betont die Jesidin, die im Grundschulalter nach Deutschland gekommen ist. Zuerst in den Süden, dann in den Harz, schließlich nach Hannover. Zusammen mit ihren Eltern, die ihr immer alle Türen offengehalten hätten, damit sie ihren Traumberuf ergreifen konnte. Zunächst hatte sie es im Hotelfach versucht. „Aber mit 20 dachte ich, dass ich noch längst nicht angekommen bin.“ Sie wollte Ärztin werden.
„Leidenschaft und Spaß sind wichtig in diesem Beruf“, sagt Ezin Deniz. Man müsse einen besonderen Bezug zu seinem Fach und vor allem zu den Menschen haben. Sie weiß, wovon sie spricht: Nach dem Studium hat sie eine neunjährige Facharztausbildung absolviert, seit zwei Jahren ist die 38-Jährige nun Herzchirurgin im Team Aortenchirurgie der MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie. Sie hat sich auf minimalinvasive Operationsmethoden des im Brustraum verlaufenden Teils der Aorta spezialisiert. Für ihre herausragende Arbeit auf dem Gebiet der sogenannten thorakalen Aortenchirurgie wurde sie jüngst mit dem Georg-Wilhelm-Rodewald-Preis geehrt, einer Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie. Die Aorta, also die Hauptschlagader, versorgt über abzweigende Gefäße den gesamten Körper mit sauerstoffreichem Blut. Erkrankungen der Aorta sind meist komplex und Operationen nicht selten Notfälle, etwa wenn eine Patientin oder ein Patient mit einem eingerissenen Aneurysma eingeliefert wird. „Dann muss alles ganz schnell gehen, weil es sehr gefährlich werden kann“, erklärt die Herzchirurgin. „Das ganze Team muss auf Knopfdruck funktionieren. Unser Handeln ist überlebensentscheidend.“ Hoch konzentriert von null auf hundert – das mag Ezin Deniz, die auch im Organentnahmeteam der MHH mitarbeitet. Etwa 25 bis 30 Notfälle versorgt das Team der Aortenchirurgie pro Jahr. Zwei bis drei geplante Operationen gibt es pro Woche. „In der Chirurgie kann man in kurzer Zeit helfen und sieht sofort das Ergebnis seiner Arbeit. Das finde ich super“, sagt Ezin Deniz. In ihrem Team ist sie die einzige Frau, die operiert. In der gesamten Abteilung der Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie mit mehr als 40 Ärztinnen und Ärzten gibt es immerhin drei operierende Kolleginnen. „Doch das Bild ändert sich.“ Das sei auch dringend nötig. Denn weiblichen Kompetenzen wie Empathie, Intuition, Struktur und Präzision seien auch im OP unverzichtbar. Die Chirurgin findet: „Auf Frauen muss man hören.“
Strukturen und Bedingungen im Klinikbetrieb müssten dafür sich aber weiterentwickeln. „Ich habe das große Glück, dass sowohl unser Klinikdirektor als auch mein Bereichsleiter Frauen fördern“, sagt sie. Im Team von Professor Aron-Frederik Popov könne sie klinisch und wissenschaftlich alles aus sich herausholen – inklusive Publikationen wie die preisgekrönte Arbeit. Ezin Deniz sagt: „Vorbilder sind sehr wichtig, damit Frauen gefördert werden in meinen Beruf. Und statt Konkurrentinnen sollten wir vor allem Netzwerkerinnen sein.“
Ezin Deniz ist noch längst nicht an ihrem Ziel angekommen. Sie möchte sich habilitieren und vielleicht irgendwann eine Klinikleitung als Herzchirurgin übernehmen. „Der Beruf ist wunderbar, sehr komplex und natürlich zeitintensiv.“ Eigene Kinder hat sie – noch – nicht, dafür eine große Familie mit vielen Nichten und Neffen. „Die Özgörs und Deniz` sind in Hannover verwurzelt und verbreitet“, sagt die Ärztin mit einem herzlichen Lachen. Viele Hannoveraner kennen die Familie aus der Gastronomie – ihre Cousins führen die Restaurants „Stadtmauer“ und „6 Sinne“.
Als Ärztin möchte sie sich stetig weiterentwickeln. „Das bedeutet aber nicht, dass man als Herzchirurgin keine Kinder haben kann. Es braucht einfach wie so häufig den richtigen Mann – in allen wichtigen Bereichen.“