Diese Begeisterung wollen sie gerne weitergeben. „Lesen ist elementar”, sagt Nikola Huppertz. Kinder, die nicht oder nicht gut lesen können, können nicht teilhaben. Nicht nur im Fach Deutsch, überall werden in der Schule Texte gelesen – und seien es die Textaufgabe in Mathematik oder der Versuchsaufbau in Physik.
Ihr neues Kinderbuch „Heiße Spur und kalte Schnauze“ (Gulliver, 103 Seiten, 11 Euro) richtet sich insbesondere an Grundschulkinder, denen das Lesen nicht so leichtfällt. Es ist aber inhaltlich genauso anspruchsvoll wie andere Bücher für das Lesealter neun Jahre. „In der Leseförderung heißt es immer: Hauptsache, die Kinder lesen!“, sagt Nikola Huppertz. „Warum? Es ist nicht egal, was man liest. Die Kinder sollen nur das Beste lesen. Es muss für sie eine Relevanz haben. Dann erst macht Lesen auch Spaß.“
Hier setzt auch der Verlag ihres neuen Buches an: Kinder altersgerecht abzuholen, statt sie mit Lese-Anfängergeschichten zu langweilen. „Die Geschichten werden inhaltlich so erzählt, wie sie erzählt werden sollten“, bestätigt Philosoph Achim Engstler.
In ihrem Buch geht es um Connor. Weil er zu spät dran ist und in der ersten Stunde ein wichtiges Diktat schreiben muss, leiht er sich das nagelneue Rennrad seiner älteren Schwester. Doch dann ist es nachmittags weg. Gestohlen.
„Connor ist kein guter Schüler, hat mit der Rechtschreibung große Schwierigkeiten. Aber Connor hat andere Kompetenzen“, sagt Engstler. „Fähigkeiten, auf die in der Schule aber nicht geschaut wird. Solche Kinder haben oft das Gefühl, nicht gut genug zu sein.“
Die Erfahrung macht Nikola Huppertz bei ihren Schullesungen auch. Da kämen Lehrkräfte auf sie zu und würden vorab warnen: Sie hätten da so einen „Kandidaten“, den würden sie gleich mal zur Seite nehmen. „Damit ist der Blick auf das Kind voreingenommen. Es hat gar keine Chance. Ihm wird gleich vermittelt: Ich bin hier das Problem!“
Die Kinderbande, die sich auf der Suche nach dem Fahrrad formiert, setzt sich aus ganz unterschiedlichen Charakteren zusammen. Clara kommt aus der reichen Vorstadt, sie ist schlau, wird gefördert, spielt sogar Klavier. Connor ist auch musikalisch, hat sogar Talent, aber das weiß keiner; Connor hat noch nicht einmal ein Instrument. Jedes Kind in der Story ist anders: das eine mutig, das andere schlau. Die eine ist eine gute Beobachterin, der andere hat eine große Fantasie. Mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Begabungen lösen die Kinder schließlich den Fall.
Alle Kinder, die in die Schule kommen, wollen kompetent sein, betonen Engstler und Huppertz. Nach wenigen Wochen sei häufig von dieser Begeisterung nichts mehr zu spüren. Und wenn später dann noch der vergleichende Blick dazukäme, sei es für diese Kinder noch schwerer, sich zu motivieren. „Ich bin kein Freund der Notengebung“, sagt Engstler.
Ein Beispiel: Die behütete Clara aus dem Buch hat es viel leichter als Connor, der mehr oder weniger sich selbst überlassen ist. Mit dem keiner übt. Der muss sich alles allein erarbeiten. Das dauert, setzt aber auch eine hohe Form von Eigenmotivation voraus. „Was soll bei Noten der Maßstab sein – wieso ist das eine Eins und jenes eine Drei?“, fragt Engstler.
Es helfe den Kindern sehr, wenn Eltern begeistert ihren Kindern vorlesen, sie an die Welt der Bücher heranführen und mit ihnen später das Lesen üben. Aber nicht allen Kindern wird diese Aufmerksamkeit zuteil. Und nicht jedem Kind fällt das Lesenlernen gleich leicht.
Erschwerend hinzu käme das Vergleichen: Kann die Mehrheit der Klasse lesen, fühle sich das Kind inkompetent. „Es fehlt die Chance, sich in Ruhe zu entwickeln. Es ist frustriert. Dann trotzdem am Ball zu bleiben, ist schwer“, sagt Engstler.
„Lesen lernen ist harte Arbeit. Da gibt es Aufs und Abs, durch die sich das Kind kämpfen muss, bis es an den Punkt kommt, wo Lesen Spaß macht“, sagt Nikola Huppertz, die selbst gerade wieder diese Erfahrung macht, da sie Japanisch lernt. „Es ist eine echte Herausforderung.“
Ihr Kinderbuch hat eine leseleichte, schnörkelfreie und durchlässige Schrift. Die Story startet schnell und bleibt spannend. So hofft das Autorenpaar, Kinder zu begeistern, denen das Lesen nicht leichtfällt. Und die am Ende stolz sind, ein „echtes Buch“ gelesen zu haben.