40 Frauen und Männer aus allen Altersgruppen und sozialen Schichten tagten viermal, um den „Masterplan Mobilität 2035″ mit ihren täglichen Erfahrungen zu ergänzen. Zehn Empfehlungen entwickelte der Rat dazu. Strauer kann ebenso wie ihre Mitstreiter Moritz Schwengber und Barselona Kollecker alle mittragen. „Ich finde mich in jedem Punkt wieder“, sagt Schwengber, beruflich im Bereich Forschung und Entwicklung beschäftigt. Er fährt meist mit dem Rad oder Bus und Bahn durch die Stadt. „Eigentlich hätte ich erwartet, dass Rad oder Auto oder Fußverkehr priorisiert wird“, sagt der Anwohner der List und würdigt, dass anders als in anderen Gremien keinerlei Lobbyisten mit am Tisch saßen.
Er wie auch Kollecker fragten vor dem Auftakt im Freundeskreis nach Wünschen für die Mobilität der Zukunft: Zebrastreifen vor Schulen, breite Radwege, Bänke zum Ausruhen, behindertengerechte Busse und Bahnen – all das waren konkrete Forderungen aus Kolleckers Umfeld. Sie betreue Menschen mit Behinderungen, weshalb sie einen besonderen Blick auf die Barrierefreiheit habe, sagt die Misburgerin. Schwengbers Freunde plädierten für die Einrichtung einer Fußgängerzone am E-Damm. „Nach der ersten Runde wussten wir, dass es nicht um konkrete Projekte, sondern um einen Rahmen für die Mobilität der Zukunft geht“, sagt der 38-Jährige durchaus mit einem Schmunzeln.
Für Baudezernent Thomas Vielhaber enthalten die Empfehlungen ganz neue Ansätze. Dazu gehört die Empfehlung, dass die Stadt die Verwendung von Parkgebühren offenlegt. Oder die Kritik daran, dass Fahrgäste mit Bus, Bahn oder Rad keine Ringlinie nutzen können. „Eine Tangente würde die Innenstadt entlasten und den Verkehr in weniger frequentierte Bereiche verlagern“, sagt Schwengber.
Die Anbindung der ersten und der letzten Meile an den öffentlichen Nahverkehr ohne Barrieren, dafür mit verbesserten Umstiegsmöglichkeiten sieht der Rat als weitere Voraussetzung dafür an, dass sich die Mobilität verbessert. Und einen Perspektivwechsel: „Menschen sollten sich öfter in die Rolle der anderen versetzen und damit Konflikte verhindern“, sagt Stauer, die die wertschätzende Arbeit im Rat lobt.„Ich bin froh, dass wir uns als Verwaltung entschieden haben, diesen Beirat einzurichten“, sagt Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne). Schließlich mache die Stadt Politik für die Menschen vor Ort, und diese sollten deshalb über die Gestaltung mitdiskutieren können. Nach den Workshops, der Diskussion und dem einstimmigen Votum für die zehn Empfehlungen blicken Kollecker, Schwengber und Strauer gespannt auf das weitere Verfahren.
Bis April prüft die Stadt die zehn Punkte und nimmt sie in den Masterplan auf, danach beginnt die politische Debatte. „Ich habe erlebt, in welch intensiver Diskussion der Konsens entstanden ist“, sagt Strauer und fügt hinzu: „Es wäre sportlich, wenn die Politik das komplett ignorieren würde.“ Immerhin: Die Einrichtung des Rates geht zurück auf einen rot-grünen Haushaltsbegleitantrag aus dem Jahr 2022. Schwengber erwartet nach eigenen Angaben, dass die Politik die Empfehlungen umsetzt. „Ich vermute aber, dass die Einflussnahme bestimmter Gruppen alles ausbremsen wird.“ Aber vielleicht ließen sich die Ratsmitglieder ja erweichen.