Keine Frage: Peetz hat Mut zur Größe bewiesen. „Als ich erste Bleistiftstriche aufs Papier brachte, wusste ich, dass diese einmal einen Meter breit sein würden“, sagt der 56-Jährige, der in der Marktkirche getauft, konfirmiert und getraut wurde.
Die drei Planen sind jeweils 30 Meter hoch und bis zu 20 Meter breit. Insgesamt bringen sie 1241 Quadratmeter Kunst an die Kirche.
„Sie sind ein Hoffnungszeichen über den Dächern von Hannover“, sagt Marktkirchen-Pastor Marc Blessing, „ein Wimmelbild, in dem die Augen spazieren gehen können.“ Das Werk zeigt Dutzende von Chiffren, die gar nicht so leicht zu entschlüsseln sind. Sie symbolisieren unter anderem Klimawandel, Menschenrechte und Migration. „Das Triptychon greift wesentliche Themen unserer Zeit auf“, sagt Blessing.
Dabei hat das Werk im Wortsinne Gewicht: Insgesamt bringen die Planen 700 Kilo auf die Waage. „Allein das ‚Paradies‘ wiegt eine viertel Tonne“, sagt Peetz.
Das „Paradies“ ist das zentrale Werk über dem Kirchenportal: Es verströmt in warmen Farben bunte Harmonie. Etwa in der Mitte sind die Gesichter von Adam und Eva angedeutet, ein Buch darunter symbolisiert die Erkenntnis.
„Kirchtürme sind immer auch Fingerzeige Gottes, sie können eine gute Botschaft in die Welt senden“, sagt Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes. Das Werk solle einer verunsicherten Gesellschaft Orientierung und Zuversicht geben.
Das weniger farbige Werk an der Südseite des Turms hat Peetz „Exitus Genesis“ genannt, es soll zur Bewahrung der Schöpfung aufrufen. Unter anderem zeigt es ein Flüchtlingsboot, den Schriftzug „CO2“ und eine Friedenstaube.Leicht zu entdecken sind die diversen Symbole, die grafisch ein wenig an die Kunst von Keith Haring erinnern, nicht. „Aber wir haben dafür ja etwa anderthalb Jahre Zeit“, sagt Müller-Brandes.
Die Idee, den Turm zum temporären Kunstwerk zu machen, ist aus der Not geboren: Wegen einer großen Fassadensanierung ist dieser ausgerechnet während des Kirchentags, der Ende April beginnt, eingerüstet. „Die Gemeinde hat darin auch eine Chance gesehen“, sagt Martin Germeroth, der Vorsitzende des Kirchenvorstands. Dass aus der Schwäche etwas Starkes erwächst, gehört ja zum theologischen Kern des Christentums.
Finanziert wurde das rund 80.000 Euro teure Werk von der VGH, der Sparkasse und dem gemeinnützigen Unternehmen Diakovere. „Man muss sich das Triptychon vorstellen wie ein Kirchenfenster – nur dass hier die Kirche von innen heraus in die Welt wirkt“, sagt Peetz.
„Das Triptychon ist anspruchsvoll und herausfordernd – das ist Religion auch“, befand Landesbischof Ralf Meister bei der Präsentation des Werks.
An der schmalen Nordseite des Turms zeigt dieses Szenen aus dem Leben Jesu: das Gesicht seiner Mutter Maria, die Krippe, das Kreuz. An dieser Seite ist auch der Bauaufzug installiert. „Den hätte ich eigentlich für die Darstellung der Himmelfahrt nutzen können“, sagt Peetz schmunzelnd. Doch dann habe er doch lieber darauf verzichtet.