So ein Ereignis kündigt man natürlich nicht einfach so an, sondern standesgemäß vor Lokal-, Fach- und überregionalen Medien in einer großen Pressekonferenz. Die gesamte Band ist an diesem kühlen, aber sonnigen Donnerstag in der Swiss Life Hall neben dem Stadion erschienen. Popmoderator Markus Kavka führt durch die Präsentation, bitte keine Fragen zur aktuellen weltpolitischen Lage und Fotos bitte nur in den ersten drei Minuten. Dann wird die Musik vor der riesigen Leinwand lauter, Scheinwerfer kreisen, Feuerwerk, Nebelmaschine – die Rockhelden betreten die Bühne. Drei Minuten Blitzlichtgewitter im Saal, später soll es einen Fototermin mit einem aufblasbaren XXL-Skorpion nebenan in der Spielstätte selbst geben. Fehlt nur die Stretchlimo, aber das haben die Rockhelden schon genossen, als viele hier im Saal noch Dreirad fuhren. „Wir sind alle angetörnt“, sagt Klaus Meine, 76, Mütze, Lederjacke, gute Laune. Kavka will loben, sagt: „Ihr spielt immer noch, als würde es um euer Leben gehen.“ Meine sagt trocken: „Mittlerweile geht es das ja auch.“
„Hometown“ ist das Motto für die Show, zu der sich die Scorpions Gäste eingeladen haben: wie zum Beispiel Judas Priest. Die englischen Schwermetaller mit ähnlich viel Rockjahren auf dem Buckel wie ihre deutschen Kollegen sind nicht persönlich da, grüßen aber von der Leinwand, genau wie Oberbürgermeister Belit Onay und Kulturdezernentin Eva Bender. Letztere singen nicht am 5. Juli, doch es wird weitere Gäste auf der Bühne geben, die „mit uns feiern und den einen oder anderen Song mit uns spielen“, wie Meine ankündigt. Namen nennt er noch keine. Fest steht indes, dass Judas Priest keine Vorband ist, sondern „Special Guest“ und in der Heinz von Heiden Arena nahezu ein komplettes Set spielen wird. Die Show, Meine nennt es „Festival“, startet um 16 Uhr. Es soll noch mehr geben zum Geburtstag, eine Ausstellung, sogar eine Briefmarke und einen Sonderstempel der Post inklusive eigener temporärer „Scorpions-Postfiliale“, wie Veranstalter Nico Röger von Hannover Concerts ankündigt.Und so werden die Scorpions also die erste lokale Band sein, die das mittlerweile dreimal umbenannte Niedersachsenstadion bespielt. In Hannover haben Klaus Meine, Rudolf Schenker und Matthias Jabs in unterschiedlichen Scorpions-Formationen durch die Jahrzehnte immer wieder kleine und große Hallen oder auch die Expo-Plaza oder den Waterlooplatz bespielt. Auf dem Pressepodium erinnern sie sich sogar noch weiter zurück, an die Anfänge in kleinen Clubs wie dem „Savoy“ in Hannover oder der „Grille“ in Minden. Zuletzt waren sie 2023 in der ausverkauften ZAG-Arena zu Gast und stellten unter anderem ihr jüngstes Album „Rock Believer“ vor. Da waren auch die beiden weiteren aktuellen Bandmitglieder, der polnische Bassist Pavel Maciwoda und der frühere Motörhead-Schlagzeuger Mikkey Dee, schon mit dabei. Maciwoda ergreift die Gelegenheit, mal was Persönliches loszuwerden: „Diese Männer“ – er meint Schenker, Meine und Jabs – „sind echte Gentlemen. Ihr Deutschen solltet stolz auf die Band sein.“
Nun, zum Sechzigsten, soll es endlich der ganz große Wurf sein, möglichst ausverkauft natürlich. Die Band freut sich jedenfalls wie Bolle auf das Heimspiel, das sich in den vergangenen Tagen schon mit „Scorpions“-Fahnen vor dem Neuen Rathaus und anderswo angedeutet hat. Es ist die zentrale Geburtstagsfeier, zu der der einzig verbliebene Bandgründer Rudolf Schenker und seine Kollegen „Fans aus aller Welt erwarten“. Schenker, das merkt man, hat immer noch richtig Lust auf Neues. Er spricht von kreativen Prozessen, die immer auch dann einsetzten, wenn man mit der Zeit gehe und lange Etabliertes verändere. Wie zum Beispiel, ein Album wie jenes „Rock Believer“ nicht wie gewohnt in Kalifornien aufzunehmen, sondern in den Peppermint Studios auf dem ehemaligen Expo-Gelände. Früher sei für sie wichtig gewesen, dass „Los Angeles“ auf dem Plattencover gestanden hätte. „Heute sind wir stolz, wenn da steht: recorded in Hannover.“
Die Show ist in eine Tournee eingebettet, die erwartungsgemäß eine Welttour ist. In Las Vegas sind sie ab Ende Februar – nicht zum ersten Mal – mit sogenannten Residency-Konzerten zu Gast, sechs am Stück im Planet Hollywood. Anschließend geht es nach Mexiko, quer durch Südamerika, dann nach Europa, überall große Hallen. Einige Konzerte stehen unter dem Motto „Homecoming“. Nach „Hometown“ führt aber nur ein Weg – am 5. Juli 2025. Es wird die einzige Show in Deutschland sein. „Wir wollen unseren Fans aus aller Welt unsere schöne Heimatstadt zeigen“, sagt Meine. Und dann sagt er noch: „Wir sind erdfest und sturmverwachsen.“ Da sind sie schon wieder, die kreativen Prozesse.
Der Vorverkauf hat begonnen. Karten gibt es bei Eventim und den bekannten Vorverkaufsstellen. Tickets kosten zwischen 78,75 und 151,75 Euro.
Das Neue Rathaus zeigt Stachel. Acht Flaggen mit dem Schriftzug „Scorpions“ sind entlang des hannoverschen Friedrichswalls gehisst. Ehrerbietung für eine Band, die den Namen der Stadt seit den Siebzigerjahren bekannt gemacht hat. Denn sagt man irgendwem irgendwo in der Ferne „Hannover“, kommt verlässlich „Scorpions“ zurück. Die Scorpions waren ab Mitte der 70er-Jahre die erste deutsche Rockgruppe, die – nach und nach – die ganze Welt erobert hat. Und sind mit 110 Millionen verkauften Tonträgern die bis heute erfolgreichste. Vor Kraftwerk, vor Rammstein und allen anderen.
Heute kündigt das Rock-Quintett an, was zum 60. Bandgeburtstag im kommenden Jahr passieren wird – 1965 wurde die Band in Sarstedt von Rudolf Schenker gegründet. Das war das Jahr, in dem die Beatles „Help!“ und „Day Tripper“ sangen, die Rolling Stones im Frühjahr mit „Satisfaction“ kamen und The Who im Herbst den Generationenkonflikt mit „My Generation“ zementierten: „Hope I die before I get old!“
Und sie haben den Metal miterfunden: In der Rockgeschichte stehen die Scorpions für mehr als nur die weltweit erfolgreichste deutsche Band zu sein. Fast hätten sie sich allerdings einen anderen Namen suchen müssen.
Die Scorps, die damals noch Nameless hießen, spielten in den Anfangszeiten Chartsstoff rauf und runter. Die Umbenennung erfolgte, weil Schenker von Anfang an international dachte. Mit Klaus Meine kam 1969 die Stimme der Band: sirenenhaft, mächtig, unverwechselbar.
Inzwischen ist längst auch die Heimat erobert, was nach den Worten von Rudolf Schenker am schwersten war. „Ja, Deutschland“, seufzte der Gitarrist 2003 auf der „Double Thunder“-Tour in den Kellern des Universal Theatre in Los Angeles. „Hier waren wir immer zwischen den Stühlen. Wir selbst haben uns aber auch immer als Weltenbürger gesehen, irgendwie am falschen Platz geboren. Unsere Pläne waren eben von Anfang an größer. Die Welt sollte uns hören.“