In Hannover wohnt seine Schwester. Doch ohne Sprachkenntnisse in einem völlig anderen Kulturkreis klarzukommen, das ist nicht leicht. Zudem wird sein Jurastudium nicht anerkannt. Doch Raheem Haidar ist bereit sich anzupassen, zu integrieren. Er jobbt, arbeitet in der Gastronomie, bei einem Logistikunternehmen, trägt für die Verlagsgesellschaft Madsack Zeitungen aus und ist bei der Post beschäftigt.
Nebenbei lernt er in Deutschkursen die Sprache – so perfekt, dass er sie heute akzentfrei und fließend spricht. Für Raheem Haidar eine Selbstverständlichkeit. „Wenn man etwas Neues lernen will, braucht man nur den Willen und ausreichend Ehrgeiz dazu, dann kann man alles schaffen“, sagt er.
Und: In Hannover trifft er seine große Liebe. „Am Anfang war ich sehr zurückhaltend, ich hatte ja vor, in mein Heimatland zurückzukehren, wenn sich die Lage dort bessert. Katrina aber ist in Deutschland geboren, das wäre nicht gegangen. Doch dann war die Liebe stärker“, sagt er und fügt an: „Deutschland hat mir so viel gegeben, es ist jetzt meine Heimat.“
Es ist auch seine Freundin, die ihn bei der TV-Show „Das große Backen“ anmeldet – heimlich! „Wir hatten die Sendung gesehen, aber ich hätte nie daran gedacht mitzumachen“, sagt Haidar. In der Zeit hatte er gerade erst das Backen für sich entdeckt. „Ich bin leidenschaftlicher Koch, aber Torten habe ich immer gekauft. Doch sie haben mir nicht geschmeckt, sie waren zu süß. Die anderen Geschmacksnuancen konnten gar nicht durchkommen, weil alles nur nach Zucker schmeckte“, kritisiert er. Also doch lieber selbst backen. „2020 habe ich meine erste Torte gebacken, danach konnte ich nicht mehr aufhören.“Was ihm am Backen so gefällt: „Es ist immer wieder eine neue Herausforderung, gerade bei den Motivtorten. Manchmal sitze ich an einem Motiv drei Tage, bis es fertig ist. Aber der Stolz, den ich empfinde, wenn alles so gelungen ist, wie ich es mir vorgestellt habe, ist die beste Belohnung.“ Hinter seinen Torten-Kunstwerken stecken allerdings auch unzählige Stunden an Übung. „Ich war nie im Leben künstlerisch besonders begabt. Aber wie sagt man so schön: Übung macht den Meister!“ Inzwischen liebe er, ganz der Perfektionist, genau diese „Fummelarbeit“.
Als er von Sat.1 zum Casting eingeladen wird, ist er furchtbar aufgeregt. „Ich habe zwar perfekt gebacken, aber die Aufregung war einfach zu groß.“ Der Sender sagt ab, behält sich aber vor, sich noch mal zu melden. Raheem Haidar nutzt das Jahr, um sein Backen weiter zu perfektionieren – nicht wegen der Sendung, sondern weil er ein Mensch ist, der sich immer weiterentwickeln will. 2022 ist es so weit: Der Anruf kommt. „Sie meinten, ich könnte ohne Casting direkt bei der zehnjährigen Jubiläumssendung dabei sein.“
In der zweiten Hälfte der Staffel merkt er, dass er wirklich eine Chance hat. Sein Bonus gegenüber den Konkurrentinnen: Seine Torten sehen nicht nur fabelhaft aus, sie schmecken auch besonders. „Ich habe versucht, den Geschmack mit dem Thema zu verbinden, und immer etwas Neues ausprobiert. Das hat die Jury überzeugt.“
Motiviert durch den Sieg beginnt Haidar eine Konditorausbildung, doch nach sechs Monaten bricht er diese ab. „Der Beruf ist ganz anders als mein Hobby, da ging es hauptsächlich ums Wirtschaftliche, um Schnelligkeit und die Massenproduktion.“
So wird er Bäcker auf Messen und Shows, reist durch die Republik. Er gründet einen Onlineshop für Backzubehör, wird Social-Media-Star mit fast 13.000 Followern. Er hat eine Kooperation mit dem Haushaltsgerätehersteller Kenwood. Auf deren Seite stellt er immer wieder neue Rezepte, die jeder kostenlos nachbacken kann. Auch dort finden sich ganz ungewöhnliche Ideen wie die französischen Windbeutel mit Pistaziencreme oder auch die orientalische Torte mit Datteln.
Jetzt plant er, in Hannover sein erstes Café zu eröffnen. Natürlich mit Torten von ihm. Wo genau, kann er noch nicht sagen, er steht gerade in den Verhandlungen für den Mietvertrag. Und der Beruf als Konditor ist auch noch nicht ganz vom Tisch. „Das habe ich noch nicht aufgegeben“, sagt er.
In seiner Freizeit hält er sich mit Kraftsport fit. „Ich habe schon immer gern Sport gemacht. Bei meinem Beruf ist das wirklich wichtig, um fit zu bleiben“, sagt er und lacht übers ganze Gesicht. „Schließlich muss man ja alles probieren und kann dabei die Kalorien nicht zählen.“