Der Weg hin und zurück zum Schwimmbad war am gefährlichsten, daran erinnert sich der Sprintexperte noch genau. Manchmal schlugen die Bomben in der Nähe ein, dann riskierten sie es gar nicht erst, er und sein älterer Bruder Mohamed, der Triathlet. Einmal trafen Kugeln das Bad, obwohl die Kämpfe eigentlich weiter weg zu toben schienen. Ein anderes Mal hatte Mohamed Maso großes Glück: Bei einem Trainingslager in Damaskus schlugen zwei Bomben an der Laufbahn ein, bei der 200-Meter-Marke, drei Mitglieder des Teams kamen ums Leben – Mohamed war gerade auf der gegenüberliegenden Seite. Ein Horror. „Es war sehr knapp. Irgendwann war klar, dass wir da wegmüssen“, sagt Alaa Maso. Zumal den Brüdern auch der Einzug zum Militär drohte.
Längst sind die Brüder in Hannover gut integriert, sie nahmen nach ihrer Flucht über die Türkei den Leistungssport wieder auf und beide an den Olympischen Spielen in Tokio teil. Triathlet Mohamad für Syrien, Schwimmer Alaa im Flüchtlingsteam. Diesmal ist Alaa allein in Paris, sieht man von Vereinskamerad und Langstreckler Sven Schwarz ab, beide trainieren in der Leistungsgruppe des Landesschwimmverbandes bei Coach Emil Guliyev. Unterstützung bekommt Maso auch vom IOC, er ist einer von zehn Athleten aus Deutschland in dieser besonderen Mannschaft. Maso ist froh, es nach Long Covid überhaupt wieder geschafft zu haben, 2022 erwischte ihn Corona und zog ihn für mehr als ein Jahr richtig runter.
Nun ist Maso wieder aufgetaucht, peilt in Paris eine Zeit von 23,03 Sekunden an, seine Bestmarke. Ohne zu atmen, das tun über diese kurze Distanz sowieso die wenigsten. In Tokio war er 23,30 Sekunden geschwommen, diesmal will er unter die besten 40 Starter. „Ich bin in guter Form“, betont der Waspo-Mann. Nicht zuletzt weil der Start im Refugee-Team auf zwei Olympiateilnahmen begrenzt ist, plant Maso längst die Zukunft. Er ist selbst Trainer und kann sich vorstellen, als Physiotherapeut zu arbeiten. „Dicht am Sport wäre schön“, sagt Maso.
Besonders wichtig wäre aber zunächst der deutsche Pass, den Mohamad soeben erhalten hat. Der nutzte sofort die Gelegenheit, seine Mutter und die Schwester in der Türkei zu besuchen – für beide endete damals die Flucht dort. „Das war sehr emotional. Und ich wünsche mir natürlich, dass beide hierherkommen dürfen. Aber wir brauchen Geduld“, sagt Maso. Sein Vater ist noch in Aleppo, er ist inzwischen 75 Jahre alt und hat nach wie vor eine Schwimmschule, um sich finanziell über Wasser zu halten. Ihn wiederzusehen und ihm helfen zu können, wünscht sich Alaa Maso ebenfalls sehr: „Mein Zuhause ist jetzt aber hier in Hannover, ich fühle mich wohl und sicher. Das bedeutet mir sehr viel.“