Sportlich will sie ihren Erfolg von Tokio mindestens wiederholen. Dort war sie Sechste geworden. „Ich glaube schon, dass das Ziel realistisch ist. Ins Finale will ich auf jeden Fall – und da ist bekanntlich alles möglich.“ Am 26. Juli reist sie nach Chateauroux. Dort beginnen eine Woche später ihre Wettkämpfe mit dem Kleinkaliber-Gewehr im Dreistellungskampf – der Schießsport findet nicht direkt in Paris statt.
Danach, dass die Sportschützin aus Goslar erneut an den Olympischen Spielen teilnimmt, sah es lange nicht aus. Nach den Erfolgen 2021 fiel sie in ein Loch, kämpfte mit Antriebslosigkeit und zog sogar in Erwägung, ihre Karriere direkt zu beenden: „Viele Sportler verspüren nach großen Erfolgen eine Motivationslosigkeit und stellen sich die Sinnfrage.“ Professionelle Hilfe durch die Sportpsychologie des Stützpunktes Hannover und viele Gespräche mit ihrer Frau halfen ihr, diese Phase zu überwinden: „Letztlich hat es mir einen großen Anschub gegeben, Paris noch einmal mitzunehmen. Dadurch, dass die Spiele so nah dran sind, kann auch der eine oder andere zugucken kommen.“
Aus Neustadt am Rübenberge ist die 30-Jährige wieder zurück in ihre Heimat nach Goslar gezogen. Die Unterstützung von ihrer Familie bedeutet der zweifachen Mutter viel. „Wir machen mit den Kindern täglich Videocalls“, erzählt Beer – und auch mit ihrer Frau Jessica ist sie ständig über Whatsapp im Austausch. Neben dem Kontakt zu ihrer Familie verzichtet sie aber weitgehend auf Rituale vor dem Wettkampf. „Ich wollte vermeiden, dass, wenn ich einmal aus dem Tritt komme, gleich alles vorbei ist.“ Bevor es ernst wird, holt sie sich mit Musik runter. „Entspannungsmusik – meistens Deutschrap“, sagt sie lachend. Genauer: „Die alten Sachen von K.I.Z.“
Denn im Wettkampf ist sie auf sich allein gestellt. Da muss sie mental voll da sein: „Es geht um die komplette Auseinandersetzung mit sich selbst. Wir können unseren Gegner nicht physisch oder psychologisch beeinflussen“, sagt sie, „wir können uns nur zu 100 Prozent auf uns selbst fokussieren und in dieser Situation dem Druck standhalten.“
Dass die 30-Jährige nach Olympia ihre internationale Karriere beenden wird, ist beschlossene Sache. „Der Gedanke hat sich in den letzten anderthalb bis zwei Jahren manifestiert. Ich bin komplett fein mit der Entscheidung“, sagt sie, „wenn es dann so weit ist, wird es sicher noch einmal richtig emotional, aber ich freue mich schon auf die Zeit danach.“
Für die Zeit danach hat Beer klare Pläne: weniger Leistungssport, mehr Fußball und ein Praktikum. Doch auch der Schießsport wird für die Noch-Soldatin immer eine große Rolle spielen. In der Bundesliga und auf nationalen Wettbewerben wird sie weiterhin für den SV Lochtum antreten, doch „der große Teil Leistungssport wird wegfallen“. Neben dem Schießen ist Fußball ihre große Leidenschaft. Wenn sie sich entscheiden müsste, würde sie ihre beiden Töchter zwar lieber zum Fußball schicken, aber „Schießen wäre auch okay, wenn sie es wollen“, sagt Beer schmunzelnd. Neben dem Leistungssport hat Beer an einer Fern-Uni BWL studiert. Im November steht sogar schon ein vierwöchiges Praktikum beim Landkreis an: „Ich bin ein Sicherheitsmensch – und wo ist es sicherer als bei der Stadtverwaltung?“
Doch bis es so weit ist, konzentriert sich Beer noch einmal voll und ganz auf den letzten internationalen Wettkampf ihrer Karriere. Den will sie mit einem Knall beenden.