Mittlerweile ist der 34-Jährige vom Judo-Team Hannover ein alter Hase. „Der Rolle bin ich mir auch bewusst, das ist mein Vorteil“, sagt er. Für den gebürtigen Lübecker steht mittlerweile schon die dritte Olympiateilnahme an. Nach Rio 2016 und den Corona-Spielen 2021 in Tokio geht es für den Judoka nun nach Paris: „Gerade beim ersten Mal ist alles sehr beeindruckend. Das olympische Dorf und das ganze Drumherum. Man ist davon überwältigt und muss auch erstmal lernen, damit umzugehen.“ Beim Wettkampf kann er sich von all dem frei machen: „Wenn ich auf der Matte stehe, ist das kein Unterschied zu irgendeinem anderen Turnier auf der Welt“, sagt er. „Auch wenn die Atmosphäre vielleicht ein bisschen eindrucksvoller ist, ist der Tunnel eng. Ich sehe nur noch meinen Gegner und weiß, was ich zu tun habe.“
Trotz der ganzen Erfahrung ist Wandtke voller Vorfreude: „Ich will dieses olympische Flair noch einmal genießen.“ Bei den bisherigen Teilnahmen gab es immer wieder Einschränkungen: In Rio war die wirtschaftliche Lage problematisch, da musste viel mit Militär abgeriegelt werden. In Tokio waren die Athleten froh, dass pandemiebedingt überhaupt Wettkämpfe stattfinden konnten. „Ich freue mich auf die Spiele in Westeuropa und auf das, wofür Olympia eigentlich steht: sportartübergreifend, wettkampfübergreifend, kontinentübergreifend“, sagt Wandtke.
Sportlich verspürt er keine Bringschuld: „Ich habe bei den ersten beiden Spielen schon mehr erreicht als viele andere, und ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Ich mache das, weil ich Spaß und Freude habe, und gehöre damit noch zu den Allerbesten der Welt“, sagt er. In der Gewichtsklasse unter 73 Kilogramm schielt Wandtke trotzdem auf sein zweites olympisches Edelmetall, nach der Bronzemedaille im Mixed-Wettbewerb 2021: „Ich habe zwar nur Außenseiterchancen, aber das kann ja auch befreiend sein. Ich möchte das Maximum herausholen und im Idealfall mit einer Medaille nach Hause gehen. Die Welt geht aber nicht unter, wenn das nicht klappt.“ Eine zweite Chance erhält er dann im Mixed-Team mit Pauline Starke aus Hannover.
Auf die Unterstützung seiner Familie kann sich der Judoka verlassen: „Die waren mit in Rio und wären auch nach Tokio gekommen, wenn sie gedurft hätten.“ Zu den Wettkämpfen in Paris erwartet er noch mal mehr Leute. Zudem kämpfen Judokollegin Starke und er direkt nacheinander. Der olympische Hannover-Tag, sozusagen. Da ist gegenseitige Unterstützung selbstverständlich.
Wandtkes Vater, selbst Judotrainer, hat seinem Sohn für die letzten Trainingseinheiten noch einmal eine spezielle Übung mit an die Hand gegeben, die ihn auf eine taktische Möglichkeit vorbereiten soll. Für seine Kontrahenten ist es indes schwer, sich auf einen Kampf mit Wandtke einzustellen: „Ich habe keinen klassischen Stil, sondern passe mich immer wieder meinen Gegnern an. Eine Videoanalyse bringt da nicht viel.“
Wie es für ihn beruflich weitergeht, hält sich Wandtke offen. Er will abwarten, was sein Körper sagt. Dass es seine letzten olympischen Spiele sind, hält er aber für realistisch: „Ich kann mir nicht vorstellen, noch einmal vier Jahre dranzuhängen. Vielleicht ist auch irgendwann der Zeitpunkt erreicht, dem Leistungssport den Rücken zu kehren.“