Im Zuge der zunehmenden Automatisierung des Alltags hat der Igel nun einen neuen Feind dazugewonnen: den Mähroboter. Denn der Gartenhelfer stoppt nicht, wenn er einem Igel begegnet. Und der Igel läuft nicht weg, sondern, nun ja, igelt sich eben ein. Eine Kombination, die für das Tier oft fatal endet. Zudem dürfen Mähroboter, weil sie leiser sind als herkömmliche Rasenkürzer, auch an Sonn- und Feiertagen sowie nachts eingesetzt werden. Der Igel allerdings verbringt den Tag oft schlafend und sucht erst nachts nach Nahrung – wo er dann oft auf den Mähroboter trifft.
Dabei handele es sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein bundesweites Phänomen, sagt Anne Berger. Sie forscht am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung und hat Schnittverletzungen von 370 Igeln untersucht. Das Ergebnis: Die Verletzungen stammen mit großer Wahrscheinlichkeit von Mährobotern und hatten verheerende Konsequenzen für die Tiere.
„Viele Wunden waren schon Tage oder Wochen alt“, sagt Berger. „Diese Igel sind schon sehr lange und zum Teil schwer verletzt unterwegs gewesen.“ Und schon kleine Schnitte können tödlich für das Tier enden. „Wenn der Igel die Wunde nicht lecken und damit sauber halten kann, kommen Fliegen und legen ihre Eier ab“, erklärt Berger. „Daraus entwickeln sich Maden, und die fressen den Igel dann bei lebendigem Leib auf.“
Eine Sprecherin des Bundesamtes für Naturschutz verweist auf eine europäische Studie, der zufolge auch Geräte, die „mit speziellen Sensoren zur Kollisionsvermeidung ausgestattet sind, Tiere erst nach einem Zusammenstoß erkennen und einen Richtungswechsel vornehmen“ können. Sehr kleine Jungigel könnten zudem weder vor noch nach der Kollision von den getesteten Modellen erkannt werden – waren jedoch oft zu klein, um durch die Klingen verletzt zu werden.
„Der Mähroboter erkennt den Igel nicht als Igel und verletzt ihn mit seinen messerscharfen Klingen“, sagt Berger. Der Igel könnte vor dem Rasenschneidegerät weglaufen, schnell genug wäre er, in den meisten Fällen tut er das aber nicht. „Auch bei Igeln gibt es die Forschen und die Schüchternen, aber beide Persönlichkeitstypen reagieren ähnlich bei Mährobotern: Sie bleiben starr sitzen und warten ab, sie igeln sich ein“, sagt Berger. Lediglich beim Alter habe man Unterschiede feststellen können, wenn auch marginal. „Die jungen Igel waren etwas neugieriger, die älteren eher scheu.“ Sitzen bleiben sie in den meisten Fällen trotzdem – egal ob jung oder alt.Wie viele Igel tatsächlich betroffen sind, ist unklar. Lea-Carina Mendel von der Deutschen Wildtier Stiftung befürchtet eine hohe Dunkelziffer. „Ein Igel schreit nicht vor Schmerzen, der zieht sich ins Gebüsch zurück und leidet still vor sich hin“, sagt sie. „Die meisten verletzten Tiere werden daher gar nicht erst gefunden, sondern sterben dann dort.“ Auch Mäuse, Frösche oder Kröten könnten von dem Mähroboter verletzt oder getötet werden. „Weil die toten Tiere aber oft von anderen Tieren aufgefressen werden, sieht man keine Kadaverreste auf dem Rasen.“
Auch ein anderes Rasentrimmgerät kann dem Igel nach Einschätzung von Mendel gefährlich werden: „Der Bereich unter den Hecken wird oft mit einem Freischneider bearbeitet“, sagt sie. „Dort haben Igel aber oft ihre Tagesnester gebaut und schlafen darin. Die Wahrscheinlichkeit, entweder einen Igel zu verletzen oder sein Nest zu zerstören, ist also sehr groß.“Deswegen solle man diesen Bereich am besten einfach stehen lassen, um dem Igel und anderen Wildtieren Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Wer nicht auf das Trimmen verzichten kann oder möchte, sollte vorher den Bereich mit einer Harke untersuchen und sicherstellen, dass er oder sie kein Tier verletzt.„Ein Nachtfahrverbot wie in Potsdam ist grundsätzlich sinnvoll. Aber wer kontrolliert das?“, kritisiert Berger. Sie findet, die Hersteller von Rasenschneidern sollten in die Verantwortung genommen werden. „Die Nutzerinnen und Nutzer wissen oft gar nicht um die Mähroboter-Igel-Problematik.“ Deswegen hat sie ein Konzept für einen standardisierten EU-weiten Igel-Crashtest für Mähroboter erarbeitet. Die Idee: Genauso, wie Autos auf ihre Sicherheitstauglichkeit für Lebewesen getestet werden, sollen auch Mähroboter getestet werden. Die Ergebnisse sollen dann europaweit einsehbar sein. „Es gibt auch jetzt schon relativ einfache Maßnahmen, um das Igelproblem zu lösen“, sagt Berger. „Man könnte den Mähroboter schon in der Produktion so programmieren, dass er nachts nicht einsetzbar ist. Aber das scheitert am Willen einiger Hersteller.“Wer seinen Rasen also möglichst tierfreundlich mähen möchte, sollte seinen Mähroboter nachts stehen lassen. Idealerweise zwei Stunden, bevor es dunkel wird, und zwei Stunden, nachdem es hell geworden ist, denn die Igel werden bereits in der Dämmerung aktiv. Einen biodiversen Garten schafft man sich mit einem Mähroboter allerdings nicht. „Mit einem Mähroboter produziert man eine Monokultur, einen Golfrasen“, sagt Berger. „Da wächst dann nur noch Gras, kein Gänseblümchen hat da noch Platz.“ Keine Blüten bedeutet keine Nahrung für die Insekten, und das bedeutet wiederum keine Nahrung für Igel.
Deswegen ist die Empfehlung: Möglichst wenig mähen, idealerweise maximal dreimal im Jahr. Für viele Gartenbesitzerinnen und -besitzer ist das kaum umsetzbar, weil sie den Garten selbst nutzen wollen. Mendel rät deswegen zu etwas mehr Unordnung im Garten. „Etwas Laub und Bewuchs unter den Hecken lassen, nicht den ganzen Rasen mähen, sondern ein paar ‚wilde Ecken stehen lassen – man kann auch mit einfachen Handgriffen viel erreichen.“