Die passende Pflanze für einen freien Platz im Garten finden oder einen Schädling identifizieren: Wo normalerweise der gärtnerische Erfahrungsschatz gefragt wäre, können Gartenbesitzer und -besitzerinnen mittlerweile auch auf technische Unterstützung zählen – nämlich auf die einer Künstlichen Intelligenz. Vorbild dafür sind Anwendungen aus der Landwirtschaft, die Berufsanfängern den Einstieg erleichtern. „Durch die KI haben wir die Möglichkeit, die Erfahrungen, die ältere Gärtner oder Landwirte haben, sozusagen zu konservieren“, sagt Patrick Noack, Agrarwissenschaftler und Leiter des Kompetenzzentrums für Digitale Agrarwirtschaft der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. „Die KI kann sich das Wissen merken und reproduzieren.“
■ Wetterdaten nutzenDarüber hinaus dienen intelligente Systeme in der Landwirtschaft oft der Überwachung. „Dort werden etwa Inhaltsstoffe von Pflanzen, Pflanzenteilen, Rohstoffen, Lebens- und Futtermitteln sowie von Gülle und Böden ermittelt, wobei überwiegend eine KI zum Einsatz kommt“, erklärt Noack. „Hilfreich ist eine KI auch, um Insekten zu identifizieren.“ Ein aktuelles Projekt sei ein Biodiversitätsmonitoring. Bisher ließen sich hier allenfalls Momentaufnahmen von vorhandenen Insekten und Pflanzen machen, die auf Stichproben basieren. „Eine KI könnte das im Tagesverlauf, für komplette Vegetationsperioden und verschiedene Gebiete machen“, sagt der Agrarwissenschaftler. „Und nicht zuletzt werden in der Landwirtschaft Wetterdaten zusammen mit einer KI genutzt, um die Bewässerung zu optimieren oder Pflanzenkrankheiten zu prognostizieren.“ All diese Anwendungen lassen sich Noack zufolge auf den Gartenbau übertragen, manche zudem auf den privaten Bereich.
■ Insektenfreundliches„Keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Einfluss hat man als Anwender aber auf Voreingenommenheit und sogenannte Halluzinationen – glaubwürdige, gut formulierte Antworten, die aber faktisch nicht stimmen“, erklärt Lohrer. Um solche Falschinformationen zu erkennen, brauche es fachlichen Sachverstand.
„Zum Beispiel ist es keine gute Idee, eine von ChatGPT erstellte Pflanzliste blind zu kaufen. Hier sollte auf jeden Fall eine Fachkraft in der Staudengärtnerei oder im Gartencenter einen kritischen Kontrollblick darauf werfen.“ Auch Schädlinge und Krankheiten bestimmt der Chatbot nicht unbedingt korrekt: „Unsere Tests haben teils widersprüchliche Antworten geliefert“, sagt der Experte.
Ein Beispiel: In einem Test identifizierte die KI drei unterschiedliche rot-schwarze Insekten alle als Feuerwanzen. Jemand Gartenkundiges hätte anhand der Umgebung erkennen können, dass es sich nur bei einem Bild wirklich um Feuerwanzen handelte, die sich gern auf Linden, Malven und Hibiskus aufhalten.
Damit hätten zwei von drei Nutzern eine falsche Antwort erhalten. Der Wissenschaftler erachtet es daher als sinnvoll, nicht nur die KI zu nutzen, sondern in einem zweiten Schritt eine persönliche Beratung oder ein etabliertes Diagnoseportal wie Arbofux hinzuzuziehen. Letztlich müsse Gartenfans klar sein: „ChatGPT ist keine Suchmaschine, sondern ein mehrdimensionales Sprachmodell – wenn auch ein sehr gutes. Wer sich der Grenzen des Systems bewusst ist und sich mit dem Prompten angefreundet hat, wird ChatGPT sicherlich häufiger nutzen, um sein Wissen rund ums Gärtnern zu erweitern oder sich Anregungen zu holen.“
■ Der Garten als Rückzugsort„KI-Modelle können (noch) nicht den kompletten Erfahrungsbereich des Menschen abdecken und so falsche Informationen ausgeben oder Entscheidungen herbeiführen“, sagt auch Noack.
Doch überwiegt in der Landwirtschaft und im Gartenbau der Nutzen, vor allem in Hinblick auf den Fachkräftemangel: „Wenn große Areale bewirtschaftet werden, ist es oft gar nicht möglich, dass sich der Gartenbauer oder Landwirt alle Pflanzen selbst anschaut“, sagt er.
Im Privatgarten mit meist überschaubarer Fläche sieht das anders aus. Zudem gibt Noack zu bedenken: „Die Frage ist, ob der eigene Garten unbedingt mithilfe technischer Unterstützung optimiert werden muss. Eigentlich reicht es ja völlig, wenn der Garten ein Rückzugsort ist, in dem Gärtner und Gärtnerinnen experimentieren, Dinge ausprobieren und erleben können“ – und so auf lange Sicht auch ohne KI ihr Gartenwissen erweitern.