Einen Zugausfall wegen Personalmangels soll es bei der Deutschen Bahn möglichst nicht mehr geben – und deshalb startet das Unternehmen jetzt eine Offensive, um Beschäftigte zu gewinnen. Für Niedersachsen steht das Ziel fest: Bis Jahresende will die Bahn 340 Azubis oder duale Studentinnen und Studenten sowie 1300 Fachkräfte gewinnen. Derzeit gibt es nach Unternehmensangaben im Land etwa 13.700 Mitarbeitende.
Zu ihnen gehört Ruben Schiller, der seit Anfang dieses Monats als Triebfahrzeugführer die ICE-Züge von Bremen aus nach Köln oder Frankfurt/Main, nach Berlin oder Hamburg steuert. Der 35-Jährige studierte zunächst Geografie und arbeitete als Verkehrsplaner, ehe er in einer kleinen evangelischen Freikirche pastorale Aufgaben als Referent übernahm. Den Wechsel in den Führerstand beschreibt der zweifache Vater als längeren Prozess. „Für mich war es ein großer Schritt, die Arbeit in der Gemeinde aufzugeben.“ Allerdings habe er einen Beruf mit einer festen Struktur gesucht, die ihm vorgegeben werde. Deshalb habe er sich für den Quereinstieg als Lokführer entschieden.
Während dieser Wechsel die Kirchengemeinde überrascht habe, sorgte er bei Menschen im persönlichen Umfeld für ein Schmunzeln. Schließlich absolvierte Schiller bereits mit 14 Jahren ein Praktikum bei der Bahn, und auch als Verkehrsplaner habe es Berührungspunkte mit der Bahn gegeben. Aus der Verbundenheit heraus schickte Schiller seine Bewerbung an den Konzern, es folgten Gespräche und eine medizinisch-psychologische Untersuchung. Am 1. Februar 2023 begann das neue Berufsleben für 35-Jährigen, der am 19. Dezember die Ausbildung abschließen konnte. Seit wenigen Wochen sitzt er an den Hebeln der ICE – allerdings begleitet auf den ersten 60 Schichten ein speziell ausgebildeter Fahrtrainer die Touren. „Mir fehlen noch die Erfahrungswerte“, sagt Schiller. Nach Aussage von Gruppenleiter Fred Endrikat dient das begleitete Fahren der Sicherheit der Quereinsteiger. Bei aller Freude über pünktliches Ankommen, einer kurzen Pause am Main oder einem Frühstück in Magdeburg: „Wer wechselt, sollte sich gut überlegen, welcher Beruf passt“, sagt Schiller mit Verweis auf Schichtdienste, die er familienkompatibel gestalten könne. Ihm gefalle die Abwechslung der Orte, der sechs Fahrzeuge und die Teamarbeit im Zug. Hinzu komme, dass die Bahn auch denjenigen einen sicheren Job anbiete, die möglicherweise fahruntüchtig werden, beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen.
Coenen zählt an dieser Stelle gern weitere Benefits der Bahn auf – ganz auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten, sei es der Mietkostenzuschuss für Azubis oder flexible Dienste nach persönlichen Anforderungen. Vor allem aber: „Mit unserer Arbeit leisten wir einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz“, sagt sie. Die Fachfrau sieht in der Vielfalt der 500 Berufe, 50 Ausbildungen und 25 Dualen Studiengängen einen Vorteil für die Beschäftigten, die spannende Aufgaben finden könnten.
Die Bahn aber könne bei Berufsmessen oder anderen Formaten die große Bandbreite nicht darstellen – erst recht nicht für Menschen, die bereits eine Ausbildung absolviert haben und sich für eine neue Laufbahn interessieren.