Der nun zum E-Mobil umgebaute Bus vom Typ Setra S9 von Hersteller Kässbohrer in Ulm ist mit Baujahr 1964 vier Jahre älter als der durch seine Touren durch Hannover bekannte Setra 100.
Eigentümer, Hauptrestaurator und Busunternehmer Krüger hat den Bus bereits Mitte der 90er-Jahre von einem Busunternehmer-Kollegen erworben. „Da hatte er zehn Jahre in einer Scheune gestanden“ – nachdem er zum Wohnmobil umfunktioniert worden war. Dann stand das gute Stück erst mal lange in Hannover auf dem Hof.
Über zehn Jahre habe er Ersatzteile gesucht und gekauft, erzählt der gelernte Kfz-Mechaniker. Inzwischen „deutlich mehr als 4000 Stunden“ hätten er und sein Haupt-Mitrestaurator Thorsten Stahl (57, Werbefotograf, erfahren im Innenausbau, ihm gehörte „Der kleine Tauchladen“ in Linden) in die Restauration und Umrüstung investiert.
Der Bus hätte schon im Jahr 2021 einsatzbereit sein sollen – doch Lieferprobleme des zunächst ausgewählten Motorlieferanten in der Schweiz und der während der Corona-Pandemie aufgekommene Halbleitermangel bremsten das Vorhaben.
Auf einer Batteriemesse Ende 2021 in Stuttgart tat sich dann die Möglichkeit auf, einen geeigneten Motor aus den USA kommen zu lassen. Vertrag gemacht, angezahlt – „und nichts mehr gehört“, berichtet Krüger. Per Anwalt habe es dann wenigstens die Anzahlung retour gegeben.
Dann griff Russland im Februar 2022 die Ukraine an – und ein für ein Projekt in Russland gedachtes E-Aggregat des Herstellers Aradex aus dem schwäbischen Lorch landete dank des ausgesprochenen Handelsembargos in Hannover. Der Motor brauchte nicht mal ein Getriebe – doch unglücklicherweise hatte Krüger bereits eines aus Österreich besorgt. Mehr als 5000 Euro waren da in den Sand gesetzt.
Vor gut einem Jahr ein Lichtblick: Das fehlende Motorsteuerelement war wieder erhältlich – kostete aber „doppelt so viel wie ein Jahr vorher“. Dann zeigte sich: Der E-Antrieb muss speziell gesteuert werden, auch, damit die direkt auf die Kardanwelle laufende Leistung „behutsam an die Räder gebracht“ wird. Denn der E-Motor liefert bis zu 169 Kilowatt, also etwa 230 PS, und somit das Vierfache an Drehmoment wie der einst verbaute Diesel. Und so wurde ein Programmierer engagiert, der dann gut ein Dreivierteljahr zugange war.
Kein Problem war die Beschaffung der beiden 400-Volt-Akkus: Sie wurden direkt bei Volkswagen geordert – es sind die gleichen, wie sie VW in seinen ID.3 einbaut. Jede dieser Batterien stellt 54 Kilowattstunden Strom bereit und wiegt 300 Kilogramm. Die Akkus sitzen da, wo einst der Dieselmotor werkelte, und kosteten annähernd 35.000 Euro. Zusammen mit dem E-Motor bringen sie immerhin 100 Kilogramm weniger an Gewicht auf die Waage als die Verbrennereinheit – und sollen eine Reichweite von etwa 120 Kilometern ermöglichen.
Der Bus war zur Restauration auch komplett zerlegt, der Rohrrahmen, auf dem die selbsttragende Karosserie (daher der Name Setra) sitzt, entrostet und überarbeitet, die Seitenbeplankung „mit Blech von der Rolle“ erneuert worden. Auch die Bremsanlage sei fast komplett neu aufgebaut. Den original Handbremshebel hat Krüger dabei nicht geopfert, der gefällt ihm so und geht daher weiter seiner Funktion nach. Neu sind auch die Gummidichtungen der vielen Fenster – „die habe ich aus der Türkei importiert“, erzählt Krüger.
Innen ist der E-Setra nun auch nicht mehr so, wie er einst die Werkshalle von Kässbohrer aus Ulm verlassen hat. Er hat eine Sitzreihe weniger, damit 32 statt 36 Plätze. Für die acht statt der original neun Sitzreihen mit etwas mehr Beinfreiheit blätterte Krüger immerhin „1000 D-Mark“ hin. Das Gepäcknetz ist neu, die Runterziehvorhänge in Rot ebenso wie viele Polster und die Sitzbezüge. Und in der Mittelkonsole prangt stilecht und aus der Zeit ein Radio Marke Blaupunkt, Modell München.
Das Schwierigste am Projekt „war, es durchzuhalten“, sagt Krüger. Denn das Fahrzeug beschäftige ihn schon gut 20 Jahre, mal abgesehen vom Kauf damals in den 1990ern. Immer wieder wurde was gemacht, gab es kleine Schritte – und, wichtig zur Erhaltung, 2010 schon mal die Hohlraumversiegelung als Abwehrfront gegen Rost.
Irgendwann stand die Entscheidung an: Welchen Antrieb nehmen? Ursprünglich trieb ein Sechszylinder-Dieselaggregat mit 165 PS von Hentschel den Setra an. Krüger ist dann „dem Zeitgeist entsprechend“ darauf gekommen, dem Oldie einen Elektromotor zu verpassen und „das urige Fahrgefühl der 1960er-Jahre“ mit moderner, umweltschonender Technik zu verbinden. Vom Heck bis zum Armaturenbrett musste alles auf e-tauglich getrimmt werden. Das Einfachste dürfte da die Entfernung des Schalthebels gewesen sein – denn der E-Motor sitzt direkt an der Kardanwelle, ein Getriebe und zu schaltende Gänge gibt es nicht. Dafür hat der Oldie eine Wasserkühlung verpasst bekommen.
Für die Umrüstung waren 92.000 Euro veranschlagt, die Region Hannover gibt knapp 78.000 Euro dazu. Jetzt dürfte unterm Strich ein Betrag um 100.000 Euro stehen, schätzt Krüger, der auch spart, wo es möglich ist. So wird etwa in Krügers Halle lackiert, Stück um Stück. Nicht in einer Lackiererei, wo Zigtausend Euro dafür fällig würden. Und: „Wir nehmen Lkw-Lack. Der kostet 25 Euro pro Liter, nicht 100!“ Sein bisher schönster Projektmoment: „Mit E-Motor aus der Halle zu fahren – ein Erlebnis! Dass man ein so großes und schweres Fahrzeug so lautlos und sanft bewegen kann ...“
Durch den Tüv ist der Setra bereits gekommen – „mir ist ein Stein vom Herzen gefallen“, sagt Krüger über den großen Moment. „Der Weg dahin war ja sehr lang.“ Zuvor musste er („Das will der TÜV so!“) aber noch eine Ölheizung einbauen, vorzugsweise, um an kalten Tagen die Frontscheibe freizublasen. „Wenn wir das elektrisch machen würden, würden wir die Reichweite zu stark verringern.“ Andererseits fahre man ohnehin fast nur in der wärmeren Jahreszeit – da dürfte sich der Ölverbrauch samt CO-Ausstoß in Grenzen halten. Und aufs Dach kommen ein paar Solarzellen, die ein wenig Grünstrom ins Bordnetz speisen.
Anfang September will „Bussa Nova“ den Bus zusammen mit der Stadt der Öffentlichkeit präsentieren. Bis dahin will Krüger aber noch Feinarbeiten vornehmen. „Der Bus soll ja hübsch aussehen.“