Ihr Gesicht zeigt sie aus Datenschutzgründen nicht im Internet. Männer haben in ihrem Sportstudio „Habiba“ in Vahrenheide nichts zu suchen. Zaina Filah sagt, was sie will und wo ihre Grenzen sind.
„Dass ich selbstbewusst wirke, ist eine Nebenwirkung davon“, sagt die 27-Jährige. Als junge, muslimische Unternehmerin habe sie oft mit Männern zu tun, die sie unterschätzten. Mit Männern, die ihr selbstbewusstes Auftreten überrascht.Das will Filah ändern. „Ich glaube, dass die Gesellschaft uns in vielen Dingen stark verunsichert. Ich will Frauen dazu ermutigen, sich zu nehmen, was sie brauchen“, sagt die 27-Jährige. In cremefarbener Sportkleidung und passendem Hijab steht sie in ihrem Studio, zwischen Seilzügen und Hantelbänken.
Boxen, Yoga, Tanzen und Pilates – diese Kurse bieten Filah und ihre Geschäftspartnerin Filiz Alheraki neben dem Gerätetraining an. Filahs Fokus beim Boxen liegt auf dem therapeutischen Boxen – dabei wird Sport mit psychischen Übungen verbunden.
Beispielsweise habe sie immer wieder Gespräche mit Frauen, die sich von Arbeitskollegen umarmen lassen, obwohl sie das nicht möchten. „Wir entwickeln dann gemeinsam Strategie, wie man sich in solchen Situationen verhalten kann.“ Körperhaltung, klare Kommunikation, Nein-Sagen – auch das trainiere sie mit ihren Klientinnen.
Filah ist Hannover geboren und aufgewachsen. Als 19-Jährige hat sie mit dem Boxen begonnen. Und davor, als Jugendliche, Jackie-Chan-Filme gesehen. „Es hat mich inspiriert, dass er schwierige Situationen mit Humor und Kampfsport löst“, sagt sie. Das Boxen habe auch etwas mit ihrem Selbstvertrauen gemacht. Sie sei standfester geworden, nicht nur beim Sport. „Boxen hat sowohl meine Körperhaltung, als auch meine innere Haltung verändert.“
„Sich durchboxen im Leben – das ist schon immer mein Spirit gewesen“, sagt Filah. Vor allem als sie mit dem Kampfsport anfing, sei das auch nötig gewesen. „Ich musste mir viele sexistische Kommentare von Männern anhören. Oder die Frage, ob ich beim Sport nicht ersticke, weil ich meinen Hijab trage.“ Mit diesen Kommentaren umzugehen, sei das härtere Training gewesen, als das Boxen.Eine Muslima, die ein Kopftuch trägt, Boxtrainerin ist und gegen die Unterdrückung von Frauen kämpft – das ist für viele Menschen ganz normal. Aber es gibt auch einige, die das irritiert. Menschen, die denken, dass sich jede Frau mit Hijab einem männerdominierten System unterwirft.
„Das ist eine sehr limitierte Sichtweise auf Feminismus“, sagt Filah. Sie will selbst entscheiden, was sich für sie nach Freiheit anfühlt. „Egal ob das bedeutet, dass ich mir etwas anziehe, oder etwas ausziehe. Das eine ist genauso gut wie das andere.“
Filah will sie selbst sein, auch beim Sport. Von diesem Standard abzuweichen, sei für sie keine Option gewesen, sagt sie – also habe sie sich selbst eine andere Trainingsumgebung geschaffen. Die 27-Jährige ist nicht nur Sportlerin, sondern auch Referentin und Trainerin für Diskriminierungskritik mit Fokus auf Sexismus und Rassismus. Über diese Arbeit hat sie ihre Geschäftspartnerin Alheraki kennengelernt. Im Oktober sind die beiden in ihr Studio in Vahrenheide gezogen.
Und der Name? „Habiba – das ist arabisch und bedeutet ‚meine Liebe‘. Es ist eine Anrede unter Frauen“, sagt Filah. Auch die Frauen, die ihre Kurse besuchen, nennt sie so.
Nicht nur sie selbst, sondern auch viele ihrer Kundinnen hätten in der Vergangenheit beim Training Sexismus und Rassismus durch Männer erlebt, sagt Filah. Deshalb sind diese im Studio tabu. Das kommt offenbar gut an: Fünf Boxkurse pro Woche bietet das Habiba-Studio an, mit jeweils 20 Plätzen. Mehr als 60 Frauen nehmen laut Filah daran teil.
Viele kämen mit dem Wunsch, sich in Gefahrensituationen verteidigen zu können, sagt Filah. „Grundsätzlich rate ich für solche Momente aber dazu, laut zu schreien und wegzurennen. Denn gegen einen sehr starken Gegner helfen auch die besten Kampffähigkeiten nicht weiter.“ Ein weiterer Tipp: Schreien üben. „Als Frauen lernen wir, dass wir leise sein müssen. Viele wissen nicht, wie laut sie sein können“, sagt Filah.
Doch das Problem der strukturellen Gewalt von Männern gegen Frauen kann selbst der beste Selbstverteidigungskurs nicht lösen. Die meisten Übergriffe finden im Bekanntenkreis statt. Viele Frauen brauche lange, bis sie diese Gewalt als solche benennen und sich Hilfe suchen. Umso wichtiger sind in den Augen der 27-Jährigen sichere Räume, in denen Betroffene ein offenes Ohr und Unterstützung finden.
Was inspiriert sie? Ihr größtes Vorbild sei ihre Mutter, sagt Filah. „Sie hat mir vorgelebt, dass es wichtig ist, ganz klar zu sagen, was einem passt und was nicht.“ Maximale Selbstbestimmung – diese Kraft will Filah nun an andere weitergeben.