Ein Schreck sei es gewesen, aber auch eine Erleichterung: Im Mai dieses Jahres erhielt der Triathlet Justus Nieschlag die Diagnose KinKing-Syndrom in beiden Beinen. Dabei knickt die Hauptarterie in der Hüfte in einer bestimmten Position ab, sodass die Beine nicht ausreichend mit Blut versorgt werden können – beim Radfahren für den Triathleten ein Riesenproblem.
„Im ersten Moment war die Diagnose natürlich erschütternd, aber es war auch gut zu wissen, dass ich mir die Probleme nicht eingebildet habe“, erzählt Nieschlag, zu diesem Zeitpunkt bereits über ein Jahr betroffen. Nun entschloss er sich dazu, die Krankheit Ende September operativ von Spezialisten in Belgien behandeln zu lassen. Bis dahin erholt er sich noch von einer Nasen-OP.
Er klingt zwar noch ein wenig nasal, ihm gehe es aber soweit gut, sagt Nieschlag (Lehrter SV). Jüngst unterzog er sich einer Operation der Nasennebenhöhlen – dem ersten Teil seiner „Generalüberholung“, wie er selbst scherzhaft sagt. Er habe in der Vergangenheit schlicht mit zu vielen Infekten zu kämpfen gehabt, erklärt der Athlet.
Anfang September lief Nieschlag noch beim Bundesliga-Abschluss im Rahmen des Maschsee-Triathlons auf Rang neun, konnte damit aber nicht an den Vorjahressieg anknüpfen. Es ist ein Sinnbild dieses Jahres, so blieb Nieschlag auch international hinter seinen Vorjahresleitungen zurück. Die Gang an die Öffentlichkeit im August habe ihn daher erleichtert: „Die Diagnose öffentlich zu machen, war wie eine Entschuldigung für alle“, sagt Nieschlag.
Dass er die Diagnose trotzdem bis August für sich behielt, lag daran, dass zunächst weitere Schäden an den Arterien ausgeschlossen werden mussten. Darüber hinaus war sich Nieschlag nicht sicher, ob er die einzige Behandlungsmöglichkeit, eine Operation, durchführen lassen möchte.„Ich habe wirklich viel abgewägt und auch über ein Karriereende nachgedacht“, sagt der Nieschlag. Allerdings habe er dafür noch zu viel Lust. Das letzte Jahr habe gezeigt, wo die Reise hingehen könne – drei internationale Medaillen und jeweils Platz fünf bei der Europa- und Weltmeisterschaft im Ironman 70.3. „Da möchte ich wieder anknüpfen“, sagt Nieschlag. Also konsultierte er Spezialisten in der Radfahrernation Belgien.
Während des Eingriffs wird der geknickte Teil der Beckenarterie herausgeschnitten und durch ein Stück Beinvene ersetzt. Außerdem werde versucht, Platz zu schaffen und die Arterie zu verlegen, erzählt Nieschlag, fügt aber an: „Genau planen kann man das anhand der MRT-Bilder nicht. Das müssen die Spezialisten während des Eingriffs entscheiden.“ Da Nieschlag beidseitig betroffen ist, wird er mit zwei Tagen Pause zweimal operiert. Alles zusammen in einer Narkose durchzuführen, sei zu gefährlich.
Nach Veröffentlichung seiner Diagnose seien mehrere Sportler mit Nieschlag in Kontakt getreten, die eine vergleichbare Operation erfolgreich überstanden haben. „Das gibt natürlich Hoffnung“, sagt der Lehrter: „Letztendlich ist das aber eine Operation, die eher selten durchgeführt würden. Langzeitstudien und Erfolgswahrscheinlichkeiten gibt es da nicht.“
Nach den Eingriffen gilt zunächst eine sechswöchige Sportpause, dann geht es in die Reha.
Ab spätestens Mai will Nieschlag aber wieder an Rennen teilnehmen können. Olympia 2028 ist für den Sechsten in der Mixed-Staffel von Tokio 2021 allerdings kein Ziel. „Ich konzentriere mich jetzt auf die Langstrecke.“