Die Abiturientin weiß allerdings auch, wie sich das verhindern lässt – durch das Einwirken von Demokratie: „Sie ist das Beste, was wir haben.“ Wer mitbestimmen, frei leben und Rechte haben will – dafür steht die Staatsform ja – muss dafür auch Verantwortung übernehmen. „Viele checken nicht, dass Demokratie nicht einfach so da ist, selbstverständlich ist. Sie leben sie aber wie selbstverständlich. Wir müssen dafür arbeiten und uns engagieren, damit es eine Gesellschaft bleibt, in der wir uns ausdrücken können.“
Deshalb war es für die 18-Jährige gesetzt, sich in ihrer Schule, sie besucht die der Ricarda-Huch-Schule in der List, abends in die Aula zu setzen. Am 17. September hatte der Freundeskreis Hannover dort die neue Veranstaltungsreihe „Schule macht Demokratie“ gestartet. Nicht in Form von Frontalunterricht, sondern als Bildungsdialog, bei dem alle mitreden können: Schülerinnen und Schülern, Lehrkräfte, Eltern, Menschen aus dem Stadtteil sowie Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik – in diesem Fall in Form von Regionspräsident Steffen Krach (45, SPD) und Kultusministerin Julia Willie Hamburg (39, Grüne).
Gut 150 Menschen waren der Einladung des Freundeskreisvorsitzenden Hajo Rosenbrock (45) gefolgt, das Themenspektrum in den anderthalb Stunden war groß: Es ging um Gestaltungsfreiheit an Schulen (Willie Hamburg: „Am meisten verändere ich, wenn ich Schulen machen lassen, anstatt von oben zu regeln“), Demokratieverständnis und Aufklärung (Krach: „Ich sehe, welche Schulen die Gedenkstätte in Ahlem besuchen und welche nie hingehen werden“) und um das Ernstgenommenwerden: „Ich finde nicht, dass wir gehört werden. Uns wird oft gesagt, ihr seid doch Kinder“, monierte Lena, die die 11. Klasse besucht.
Rieke Thomann (18) aus dem 13. Jahrgang pflichtete ihr bei: „Man hat oft das Gefühl, gegen eine Wand zu reden. Die Leute sind nicht immer bereit, aufgeschlossen zu diskutieren und eine andere Meinung zu hören.“ Das hat sie in der Fahrschule wie in der Familie schon erlebt, insbesondere, wenn es um den Rechtsruck im Land geht. „Ist doch alles nicht so schlimm, heißt es dann.“
Ist es sehr wohl, wie uns Mitschülerin Rocaya Mohammadi (18) schilderte: „Mir hat ein Mann beim Shoppen schon mal gesagt ‚Verpiss dich aus unserem Land‘. Ich war 13 und sehr erschrocken darüber.“ Als Neunjährige kam sie mit ihren Eltern aus Afghanistan nach Deutschland und ist „glücklich über die Möglichkeit, mich weiterzubilden. Nur weil ich ein Kopftuch trage, heißt es noch lange nicht, dass ich nicht für Feminismus und die Rechte von Frauen stehe“. Zum Schluss präsentierten die Schülerinnen und Schüler der Medien-AG, wie sie das Thema Demokratiebildung filmisch umgesetzt haben – indem sie Pizza belegen.
Die einen mögen die nämlich mit Ananas, andere nicht. Anstatt zu streiten, gibt’s die Hawaiivariante am Ende zur Hälfte auf dem Backblech, ganz nach dem Motto: „Demokratie ist kein Fertiggericht und nicht geschmacksneutral.“ Schulleiterin Sandra Behrens warb dafür, auch in Zukunft Schule als Ort des Demokratielernens ernstzunehmen, „und zwar gerne mit Unterstützung aus der Gesellschaft“.