Was als Idee mit einem ganz normalen Biergartenbetrieb und elektronischer Hintergrundmusik begann, entwickelte sich zu einer Open-Air-Party mit DJ-Sets und massivem Besucherandrang an Freitag- oder Samstagabenden zwischen April und September. Zum sogenannten Elektronischen Biergarten im Gretchen kann jeder kommen, die Veranstaltung ist kostenlos und ohne Einlasskontrollen. Meist drei DJs legen zwischen 16 und 22 Uhr auf, während die Besucherinnen und Besucher entweder einfach die Biergartenatmosphäre genießen oder zu den Beats tanzen können. Überwiegend House oder melodischer Techno wird an den Abenden gespielt.
Während Corona kam Dominik Kiesewalter dafür die Idee, bereits zuvor hatte er Indoor elektronische Partys organisiert. 2022 startete die Reihe immer donnerstags. „Im ersten Jahr haben vereinzelt Leute getanzt. Aber es war schon sehr ruhig.“
Trotzdem war der heute 31-Jährige, der früher selbst in der Gastronomie im Lindener Biergarten gearbeitet hat, überzeugt von dem Konzept: „Ich wollte einfach versuchen, das Gretchen neu zu beleben, weil es für alle frei zugänglich ist.“ Sein Ziel: das Angebot so niedrigschwellig zu gestalten, dass wirklich alle partizipieren können, ohne dafür Eintritt zu zahlen. Und das funktionierte.
Das Event sprach sich herum, auch durch Social-Media bekam es immer mehr Aufmerksamkeit. „Solche Kulturorte sind in der heutigen Zeit unverzichtbar, gerade wo alles teurer wird“, sagt der Hannoveraner. Das Feedback der Gäste und DJs sei durchweg positiv. Zehn Veranstaltungen planen und organisieren die sieben Mitglieder vom Verein „Ihmegold“, zu denen Kiesewalter gehört, in diesem Jahr auf dem Biergartengelände – neben ihren Jobs. Kiesewalter hat eine 40-Stunden-Woche, dazu kommen Planungstreffen oder beispielsweise Auf- und Abbau des Equipments auf dem Gretchengelände. „Also wir stecken hier locker auch noch mal im Monat 50 Stunden rein.“
Auch wenn sie Geld mit dem Konzept verdienen könnten, ist das für die sieben ehrenamtlichen Organisatorinnen und Organisatoren nicht erstrebenswert. „Jede Veranstaltung hat eine Art DNA. Unsere ist, dass sie kostenlos ist. Und das soll auch so bleiben.“
Kiesewalter und seine Mitstreiter bekommen eine Projektförderung aus dem Topf „Junge Kultur Hannover“, eine kleine Zahlung vom Biergarten, ansonsten können Besuchende Spenden abgeben. Davon bezahlen sie die Gage für die DJ, dazu kommen Kosten unter anderem für Social-Media-Grafiken, Deko oder Technik.
Weil der Elektronische Biergarten ein Ort für alle sei, versuche das Team das auch im Line-up abzubilden. „Die DJ-Szene ist immer noch sehr männlich dominiert. Wir versuchen, dass immer eine Flinta-DJ aufgelegt.“ Flinta steht für Frauen, Lesben, Inter, Nicht-binäre, Trans und Agender-Personen. Zudem bietet der Verein beispielsweise einen kostenlosen Workshop für Veranstaltungstechnik speziell für Frauen an.
Doch das kostenlose Erfolgskonzept bröckelte: Bei der diesjährigen Saisoneröffnung im April war kaum ein Durchkommen – darunter auch Menschen, die nicht verstehen würden, wofür die Veranstaltung eigentlich stehe. „In den ersten Jahren kamen viele Leute wegen der Musik und des offenen Raums. Jetzt hatten wir so ein bisschen das Gefühl, es ist ein Gesehen werden. Ziel des Elektronischen Biergartens ist es aber nicht, den bestmöglichen Content für Social Media zu erstellen“, erklärt Kiesewalter. Deswegen standen sogar Einlasskontrollen, Zäune um den Biergarten und Eintrittsgelder im Raum.
„Und dann kommt die Angst, wie groß darf es noch werden darf, damit es umsonst bleibt und wir sagen können, wir haben alles noch im Griff“, sagte Kiesewalter. Daher verfassten die Mitglieder des Vereins einen Post auf Instagram, indem sie genau diese Situation, mögliche Konsequenzen und ihre Wünsche zusammenfassten.
Danach sei es grundsätzlich wieder leerer geworden. „Gerade pendelt sich das alles wieder ein“, ist sich Kiesewalter sicher. „Aber wir behalten uns auch vor, Maßnahmen zu treffen, wenn es sich ändert.“
Für das nächste Jahr will der Verein „Ihmegold“ den Elektronischen Biergarten weiterentwickeln – was das genau heiße, möchte Kiesewalter aber noch nicht vollends verraten. Nur so viel: „Wir wollen versuchen, das Programm diverser aufzustellen, nicht nur mit elektronischer Musik.“