Forschende aus Hannover knacken Heilpflanzen-Gencode
Team der Leibniz Universität entschlüsselt Bauplan für Wirkstoffe in Nachtschattengewächsen

Professor Jakob Franke nutzt eine Tabakpflanze als „Trägerpflanze“.Foto: Nancy Heusel
Hannover. Hobbygärtnern sind Physalis ein Begriff. Entweder, weil sie die Lampionblume als Dekoration im Garten schätzen. Oder weil sie die essbare Variante wegen der leckeren Früchte anbauen.

Die Physalis im Gewächshaus der Leibniz Universität Hannover haben dagegen eine andere Mission: Sie dienen der Forschung. Wie einige andere Nachtschattengewächse haben die Pflanzen heilende Wirkung. In der traditionellen Medizin werden sie seit Jahrhunderten eingesetzt.

Damit sind sie auch höchst interessante Kandidaten für die moderne Medizin. Doch wie Physalis, Stechapfel oder Schlafbeere ihre heilenden Wirkstoffe bilden, war bisher nicht klar. Jetzt ist es Professor Jakob Franke und seinem Team von der Leibniz Uni gemeinsam mit der Uni Bonn gelungen, den genetischen Grundbauplan für die Produktion der Wirkstoffe zu entschlüsseln.

Ein echter Durchbruch, denn damit erst sind die Voraussetzungen für eine spätere Medikamentenentwicklung geschaffen. Das Problem: Für sichere Medikamente gibt es hohe Anforderungen. In der Regel sind Reinsubstanzen erforderlich, die eine klar nachgewiesene Wirkung haben.

„Diese Pflanzen produzieren aber oft einen ganzen Cocktail von Wirkstoffen“, berichtet Franke. Unterschiedliche Substanzen in einer einzigen Pflanzenart wirken etwa gegen Entzündungen, beruhigen oder vertreiben Insekten. In der Schlafbeere gibt es wahrscheinlich sogar mehrere Wirkstoffe gegen Krebs. „Der Nachteil dieser Vielfalt: Man kommt schlecht an die einzelnen Reinsubstanzen heran“, sagt der Professor am Institut für Botanik.

Damit das künftig gelingt, ebnen die Forschenden mit ihrer Arbeit den Weg. Es war bereits bekannt, welche Nachtschattengewächse Withanolide bilden. Das sind natürlich vorkommende chemische Verbindungen, die in den Pflanzen die nützliche Wirkung entfalten.

Das Team um Franke verglich die Genome von Nachtschattengewächsen mit und ohne Wirkstoffe und stieß dabei auf eine Gensequenz, die nur die Pflanzen mit Heilwirkung teilen. Der Bereich im Erbgut, der für die Bildung der Wirkstoffe verantwortlich ist, war entdeckt.

„Wir konnten diesen breiten Vergleich nur ziehen, weil andere Wissenschaftler das Erbgut vieler Nachtschattengewächse bereits entschlüsselt haben und diese Informationen öffentlich zur Verfügung stellen“, erklärt der 38-jährige Biochemiker. Das Thema ist brandaktuell. Quasi zeitgleich haben Teams in München und den USA Forschungsergebnisse in dem Feld veröffentlicht.

Die Gruppe aus Hannover, die den genetischen Grundbauplan für Withanolide aufgeklärt hat, testet nun die Produktion jeweils eines einzelnen Wirkstoffs in einer Trägerpflanze. „Wir wollen herausfinden, wie die verschiedenen Pflanzen ihre jeweils spezifischen Wirkstoffe herstellen“, sagt Franke. Als Modellpflanze wurde ein Wildtabak ausgewählt.

Ein natürlich vorkommendes Bakterium, das auf die Weitergabe genetischer Informationen spezialisiert ist, trägt den relevanten Genabschnitt aus der Physalis in die Tabakpflanze. „Das funktioniert zuverlässig, und vererbbar ist das nicht“, sagt Franke. Mit der Modellpflanze wollen die Forscher zumindest einfache Vorläufer der gewünschten Wirkstoffe produzieren.

Franke geht davon aus, dass die gezielte Pflanzenzucht später der geeignete Weg hin zu Medikamenten ist. „Withanolide sind so komplex, dass sie synthetisch schwierig nachzubilden sind. Deshalb ist es einfacher, die Tricks der Natur selbst zu nutzen.“

Die Studie ist in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt das Projekt von 2023 bis 2026 mit rund 511.000 Euro.

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