„Es war klar, dass er weit kommt“
Luis Hendriks (25) aus Hannover ist Deutschlands jüngster Zwei-Sterne-Koch. Der Küchenchef im „Pietsch“ in Wernigerode lebt am Kronsberg.

Große Ehre: Die schwarze Jackebekam Luis Hendricks mit dem „Young Chef Award“ bei der Gala des Guide Michelin – als Erinnerung hat er auch die Platzkarte aufgehoben.Foto: Elena Richert

Am Kühlschrank seiner Küche am Kronsberg hängen Magnete aus Singapur, Dubai und Kuala Lumpur, die Einrichtung ist eher spartanisch. „Zuhause darf es auch mal eine schnelle Pasta sein. Oder eine Bowl mit ein bisschen Reis, ein bisschen Fisch“, erzählt Luis Hendricks. Sonst richtet er im Restaurant „Pietsch“ in Wernigerode Speisen an, die so klangvolle Namen tragen wie „Käferbohne / Jalapeño / Shiso“. Der 25-jährige Profi aus Hannover ist Deutschlands jüngster Zwei-Sterne-Koch.

Die beiden Jacken mit den Sternen-Emblemen hat er gerade aus dem Koffer geholt. Denn direkt nach der Gala des Guide Michelin am 17. Juni im Palmengarten in Frankfurt am Main ist Hendricks mit seiner Lebensgefährtin Julia Orschiedt (25), die außerdem seine Souschefin im „Pietsch“ ist, in den Urlaub nach Italien gestartet.

Im Gepäck: gleich zwei Auszeichnungen. Denn an dem Abend in Frankfurt bekam Hendricks den „Young Chef Award“ als bester junger Küchenchef. Im Livestream sah man dem Blondschopf an, dass er diese Nachricht erst noch verdauen musste. Doch der Michelin-Moderator gab ihm keine Verschnaufpause. Hendricks sollte das erste Lokal ankündigen, das sich an diesem Abend über einen zweiten Stern freuen konnte.

Der „Young Chef“ haspelte den entsprechenden Text herunter, dann tauchte auf einem Bildschirm der Name des Lokals auf, Hendricks Augen weiteten sich. „Pietsch“, rief er heiser, ballte die Faust. Und sprang Robin Pietsch (36) in die Arme, nachdem der Inhaber des Lokals in Wernigerode ebenfalls auf die Bühne gestürmt war.

In Deutschland können sich 47 Lokale mit zwei Sternen schmücken – in Hannover gehören das „Votum“ mit Küchenchef Benjamin Gallein (39) dazu, ebenso das „Jante” mit Tony Hohlfeld (35). Es ist eine rasante Geschichte, die Hendricks in den Koch-Olymp katapultiert hat.

Wie alles begann? „Mit einem Schülerpraktikum“, erzählt Hendricks, der in Burgwedel in der neunten Klasse auf die Idee kam, ausgerechnet im Sterne-Restaurant „Ole Deele“ (inzwischen geschlossen) den Job kennenzulernen. „Dreistigkeit siegt. Ich stand einfach vor der Tür und habe gefragt“, erinnert er sich an seine erste Begegnung mit dem damaligen Küchenchef Tony Hohlfeld.

Es gibt ein Video des vierjährigen Hendricks, der in der Küche der Eltern Gurkensalat zubereitet. „Mein Vater hat die Zutaten auf Papierzettelchen gemalt – ich konnte ja noch nicht lesen.“ Als 14-Jähriger stand er als Praktikant in der „Ole-Deele“-Sterneküche und war „sofort verzaubert“, erinnert er sich. „Obwohl ich am ersten Tag nur stundenlang Brennnesselwurzeln putzen durfte.“ Aber er schnupperte auch beim Fisch rein, unterstützte den Gardemanger bei der Zubereitung der kalten Speisen, war fasziniert von den Abläufen im Abendservice.

„Es war schon immer klar, dass er weit kommt“, sagt Hohlfeld über seinen früheren Schützling. Hannovers dritter Zwei-Sterne-Koch Hendricks wohnt am Kronsberg, pendelt zusammen mit seiner Freundin jede Woche für vier intensive Arbeitstage in den Harz. „Großes Lob auch an Robin Pietsch, der Luis die Bühne gibt, so kreativ zu arbeiten“, betont der „Jante“-Chef. „Wer weiß, was da noch kommt?“

Hendricks Weg war einer mit vielen Etappen. Seine Kochausbildung machte er bei Markus Kirchner im Maritim-Airport-Hotel – genau wie Julia Orschiedt, aber zeitversetzt. „Wir haben uns zwei Monate verpasst“, erzählt die 25-Jährige.

„Ich war ein Ausnahme-Azubi“, glaubt Hendricks, „ich hatte damals schon Lust auf klein und fein“. Mit 18 ging es in die „Orangerie“ am Timmendorfer Strand. Ein Stern, aber alte Schule. „Eine harte Zeit, da ging es in der Küche ruppiger zu.“ Nach zehn Monaten der Wechsel ins „Pietsch“ nach Wernigerode. „Das war damals noch eine Baustelle“, sagt Hendricks und lacht. Robin Pietsch hatte mit dem „Zeitwerk“ bereits einen Stern, das neue Lokal sollte aber zwei holen.

Eineinhalb Jahre lernte der Jungkoch aus Hannover vom österreichischen Küchenchef Jürgen Kettner. „Er hat mein Geschmacksverständnis geschult“, sagt Hendricks, der Talent für die Balance von Salz, Süße, Säure und Fett an den Tag legt. Den ersten Job als Küchenchef nahm er in Hannover an – er heuerte im „La Rock“ an. Und stand dort mit Julia Orschiedt am Herd. Zwischen beiden funkte es.

Als Robin Pietsch, der auch häufig im TV präsent ist, 2022 einen Küchenchef suchte, wechselten beide nach Wernigerode. „Ich hatte die Chance, ohne Druck auf den zweiten Stern hinzuarbeiten“, erzählt Hendricks. Das gehe nur mit einem guten Team. „Miteinander wachsen und Spaß haben“, beschreibt er das Erfolgsrezept.

Michelin-Gala, Italienurlaub, nun die ersten Arbeitstage im Glanz von zwei Sternen. „Krass. Ich arbeite heute auf Augenhöhe mit meinen Vorbildern.“ Mit 25 Jahren ist Hendricks aktuell der jüngste Zwei-Sterne-Koch Deutschlands. Einen weiteren Superlativ hält er für möglich: „Ich habe recherchiert – und weltweit keinen jüngeren gefunden.“

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