101 Jahre RV Hannover – das Gelände ist der Star
Der Reiterverein in Vahrenheide mit seinen 220 Mitgliedern ist das grüne Schmuckstück der Stadt

Gruppenbild mit Schulpferd: (von links) Iris Dewitz, Xenia Bültmann, Cornelia Busch, Wjahat Waraich, Stephan Weil, Charlotte auf Gipsy, Fiona Hengstmann und Angela Friedrichs-Özdemir. Foto: Florian Petrow
Hannover. Das war eine perfekte Nullnummer: Christian Glienewinkel vom RFV Isernhagen gewann das S-Springen beim Reiterverein Hannover ohne Fehler auf Casstino. Der 39-Jährige erhielt reichlich Applaus im wichtigsten Wettkampf des Mai-Turniers in Vahrenheide. „Alles sehr gut gelaufen, keine Verletzungen“, sagte die neue Vorsitzende Angela Friedrichs-Özdemir.

Vor dem Turnier hatte der Reiterverein Hannover hohen Besuch. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil steckte zwar nicht den Parcours ab, er begutachtete aber die Anlage bei einem ausgedehnten Spaziergang. „Wie schön!“, sagte der scheidende SPD-Politiker mehrfach und bekannte, vorher noch nie auf dem zwölf Hektar großen Areal Am Jagdstall gewesen zu sein.

Eigentlich wollte Weil schon im vergangenen Herbst vorbeischauen, um dem RV zum 100-jährigen Bestehen Glückwünsche zu überbringen. Der politische Ampelstreit kam damals dazwischen. Unter anderem mit Bezirksbürgermeister Wjahat Waraich, der langjährigen RV-Vorsitzenden Iris Dewitz und Nachfolgerin Friedrichs-Özdemir machte Weil die Runde.

Beim Verein mit rund 220 Mitgliedern hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Die letzte große Maßnahme war die Erneuerung des Dachs der 1954 erbauten Halle inklusive einer modernen LED-Beleuchtung. Dennoch bleibt der Investitionsbedarf enorm. Das geht beim jüngst kaputtgegangenen Traktor los und endet bei den Stallungen, sanitären Anlagen und dem Sandboden. Friedrichs-Özdemir schätzt die Summe auf 50.000 Euro jährlich, „wenn wir das auf eine gewisse Zeit strecken“. Bei einem Haushaltsplan von knapp 500.000 Euro ist das allerdings nicht ohne Hilfe zu stemmen.

Immerhin gibt es die wunderbare Anlage in so zentraler Lage überhaupt noch. Das Gelände hatte in den 90er-Jahren Begehrlichkeiten der Politik geweckt. Wohnraum sollte entstehen und der RV anderswo untergebracht werden. Dagegen ging der Reiterverein auf die Barrikaden, eine Bürgerinitiative engagierte sich obendrein für „die grüne Oase mitten in der Stadt“, wie es Dewitz formulierte. Dieses Hindernis war unüberwindbar.

Die Reiterstadt – diesen Beinamen trug Hannover lange stolz – behielt ihren wichtigsten Standort. Vor rund drei Jahren erst wurde der Erbpachtvertrag um 30 Jahre verlängert, ein großes Verdienst von Dewitz.

Im Jahr 1866 hatten die Reiter die Stadt Hannover sozusagen im Galopp genommen, als die preußische Militärreitschule hierher verlegt wurde. Bald gab es die ersten Bahnen-Pferderennen auf der Vahrenwalder Heide. Die hannoversche Kavallerieschule eröffnete zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Standort und stellte 1914 einen neuen Jagdstall fertig. Bei den Herbstjagden setzten Reiter und Meute Hirschen, Wildschweinen und Füchsen nach. Der 1924 gegründete RV Hannover pachtete das Gelände nach dem Zweiten Weltkrieg, die Mitglieder bauten kurzerhand den zerbombten Tanzsaal des ehemaligen Lokals Lister Mühle als Reithalle aus.

Heute legen die Mitglieder immer noch eifrig Hand an, die Anlage bedarf intensiver Pflege. So elitär wie einst, als sich vorwiegend Offiziere in den Sattel schwangen, geht es nicht mehr zu. Der Mitgliedsbeitrag beläuft sich für Erwachsene auf 280 Euro pro Jahr, auch Reitstunden sind erschwinglich.

„Die Gesellschaft ändert sich, und wir tun das auch, wir öffnen uns. Reiten ist Inklusion“, sagte Friedrichs-Özdemir, die seit März Vorsitzende ist. Die 53-jährige Hotel- und Touristikmanagerin will für den Reiterverein eine Nische besetzen und ausbauen, es läuft auf das Vielseitigkeitsreiten hinaus. Dafür sind die Möglichkeiten ideal.

„Und wo gibt es das schon mitten in der Stadt“, betonte die frühere Berlinerin, „wir haben hier alles, was sich die Reiter nur wünschen können.“

Druckansicht