Skaten unterm Klang der Sonne
Kunstfestspiele Herrenhausen: 18 Festivaltage, 80 Veranstaltungen und ein 350. Geburtstag

Installation und Konzert: „Sunrise for the sleepers“ von Boris Acket & HIIIT.Foto: Martijn Boris
Hannover. Wie klingt eigentlich die Sonne? Leben wir wirklich in der besten aller möglichen Welten? Und kann man Zeit einfangen? Diesen und weiteren Fragen gehen die Kunstfestspiele Herrenhausen nach in einer Reihe von Veranstaltungen vom 22. Mai bis 8. Juni. Zeitgenössische Kunst trifft auf eine barocke Umgebung: Die zentralen Spielorte – die Galerie, die Orangerie und das Arne Jacobsen Foyer – befinden sich in der stimmungsvollen Kulisse der Herrenhäuser Gärten, die Eintrittskarten berechtigen zwei Stunden vor Veranstaltungsbeginn zum Eintritt in den Großen Garten.Die berühmte These des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, nach der die Welt, in der wir leben, die beste aller möglichen Welten sei, erscheint als leuchtender Schriftzug in der Lichtinstallation „Best of All“ von Tim Etchells. Die Hommage an die 350-jährige Geschichte des Großen Gartens begleitet die Kunstfestspiele durchgehend, täglich von 11 bis 23 Uhr am Arne Jacobsen Foyer. Doch leben wir, in Zeiten, die von Kriegen, Krisen und Klimawandel geprägt sind, wirklich in dieser besten aller möglichen Welten? Wie kann menschliches Handeln diese Welt verbessern oder verschlechtern? Darüber diskutieren die Schriftstellerin Mithu Sanyal und der Philosoph Wolfram Eilenberger am Sonntag, 25. Mai, ab 15 Uhr. Der Eintritt kostet 6 Euro.In der Galerie geht der Künstler Boris Acket Naturphänomenen nach, in diesem Fall mit „Sunrise for the sleepers“dem Klang der Sonne. Mit Hilfe von hochempfindlichen Radio-Teleskopen ist es möglich, Schwingungsfelder der Sonnenoberfläche sichtbar zu machen und in hörbare Töne umzuwandeln. Fasziniert von diesen Klängen, versucht der niederländische Künstler gemeinsam mit dem Schlagwerk-Ensemble HIIIT, den Raum in einen begehbaren Licht- und Klangkörper zu verwandeln, der die Sonne symbolisiert. Die Geräusche, unter anderem von Robotern und Gongs erzeugt, verändern sich mit der Bewegung durch den Raum. Das 90-minütige Eröffnungskonzert beginnt am 28. Mai um 19.30 Uhr, Karten kosten 25 Euro, ermäßigt 12,50 Euro. Vom 29. Mai bis 1. Juni kann „Sunrise for the sleepers“ als Rauminstallation mit Kurzkonzerten bei freiem Eintritt erlebt werden.Der Lindener Club Feinkost Lampe hat wieder tolle Gäste für Konzerte auf der Orangerie-Hinterbühne eingeladen. Maya Kamaty (27. Mai, 21 Uhr) rappt auf kreolisch und kreiert einen kraftvollen Mix aus Hip-Hop, Trap und Pop. Isabelle Lewis (3. Juni, 20 Uhr) ist ein Trio, bestehend aus dem isländischen Komponisten Valgeir Sigurðsson, der mit Björk an ihrem „Dancer in the Dark“-Soundtrack arbeitete, sowie dem Countertenor Benjamin Abel Meirhaeghe und der Geigerin Elisabeth Klinck. Zusammen lassen sie sphärischen Soundlandschaften zwischen Klassik und Pop entstehen. Gotopo (7. Juni, 21 Uhr) verwebt in ihrer Musik und ihren provokanten Shows folkloristische Saiteninstrumente mit techno-inspirierten Jams.Rasant wird es in der Tanz-Performance „Skatepark“ der dänischen Choreografin Mette Ingvartsen, die seit ihrer Jugend selbst begeisterte Skaterin ist. Mit ihrem Ensemble, verstärkt durch Aktive aus der Skaterszene Hannovers, bringt sie virtuose Kunststücke, chillige und abrockende Musik und ein großartigen Gemeinschaftsgefühl in die DHC-Halle – auch geeignet für junges Publikum ab zehn Jahren. Termine sind am 30. Mai ab 19.30 Uhr und 31. Mai ab 19 Uhr.500 Fanschals von Fußballvereinen, acht Tanzende und Massenchoreografien der Stadien verbinden sich in „Non+Ultras“ zu einer Show rund um die Faszination Fußball, Gewalt, Masse und Fankultur. Termine sind am 5. und 6. Juni, jeweils ab 19.30 Uhr in der Orangerie.

Der Kunstfestspieletag ermöglicht es wieder, einen entspannten Sonntag mit einem familienfreundlichen Programm zu erleben. Am 1. Juni können von 11 bis 21 Uhr die Installationen erkundet werden. Das Kunstvermittlungsteam der Kestnergesellschaft bietet von 12 bis 17 Uhr für kleine Gäste kreative Mitmach-Aktionen an, bei denen der Einstieg jederzeit möglich ist. Die Teilnahme ist kostenlos, der Eintritt für die Veranstaltungen kostet jeweils 5 Euro – und bietet viele Möglichkeiten, sich ein individuelles Tagesprogramm zusammenzustellen.

So jongliert in „Alles | Nichts“ der Zirkuskünstler Loïc Faure mit Stoffen und Steinen, mit Magneten und Pendeln, mit Fäden und Kugeln, die höchst unwahrscheinliche Bewegungen machen. Er fängt die Zeit und die Schwerkraft ein, bringt sie zum Rasen und zum Stillstand. Physik wird Poesie, aus einem Gefäß fließen Fäden wie Wasser, und Ketten entwickeln ein Eigenleben.In „Cow Love“ trifft Akrobatik auf Komik und Showtanz auf bunte Trainingsanzüge – sprunggewaltig, unkonventionell, und für Publikum ab sechs Jahren geeignet. Zwischen zeitgenössischem Tanz und Urban Dance lotet Vasiliki Papapostolou aka Tarantism in „Panopticon“ die Beziehung von Mensch und Maschine aus, die sich zu einem Kampf um Freiheit entwickelt.Feinkost Lampe präsentiert am Kunstfestspieletag das ukrainische Folk-Jazz-Quartett Leléka. Inhaltlich sind die Lieder geprägt von der Sorge um die Natur bis hin zum Mahnmal menschlicher Selbstüberschätzung in Tschernobyl. Mit der „Parkmusik für Herrenhausen“ für ein 160 Personen starkes Orchester und die große Glockenfontäne wird der 350. Geburtstag der Gärten gefeiert. Das Musikspektakel von Georg Friedrich Haas ist auf den Ort zugeschnitten und im wahrsten Sinne einmalig. Beginn ist um 14 Uhr im Großen Garten. R/HR

Vollständiges Programm und Tickets: kunstfestspiele.de



Druckansicht