Klack, klack – peng! Der Ball zischt ins Tor, keine Chance für den Keeper. Wenige Sekunden später erneut. Und erneut. Als Gelegenheits-Krökler gegen Ruben Heinrich am Kickertisch anzutreten, ist, als würde ein Kreisligatorwart versuchen, Schüsse von Cristiano Ronaldo zu parieren. Also nahezu unmöglich. Im Gegensatz zu Ronaldo ist Heinrich sogar Weltmeister in seiner Sportart. 2022 holte der Krökelprofi von Hannover 96 den WM-Titel im Tischfußball-Einzel.
Seine Qualität am Kickertisch sticht sofort ins Auge. Während Hobbyspieler den Ball gerne blind nach vorne dreschen, passt Heinrich den Ball vom Torwart zur Verteidigung, von der Verteidigung ins Mittelfeld und vom Mittelfeld in den Sturm. Ist das Rund einmal dort, kann die Verteidigung noch so gut stehen. Peng – der Schuss ins Tor ist mit bloßem Auge kaum zu erkennen.
Wie ist Heinrich so gut geworden? „Mein Vater hat mal einen Kickertisch mitgebracht. Dadurch hatte ich so einen Bezug“, erinnert sich der 43-jährige. Richtig angefangen hat er dann auf dem Gymnasium, wo er in den Pausen durchgängig gegen seine Mitschüler krökelte. „Ich habe ganz normal gespielt wie die anderen auch, aber einfach nicht verloren“, sagt er und lacht.
„Das fühlte sich ganz gut an.“ 2002 zog es Heinrich in das ehemalige Rockhouse in Hannover, wo er jeden Freitag krökelte – auch auf hohem Niveau gegen Vereinsspieler der Krökel-Gemeinschaft Badenstedt-Hannover (KGB). Die KGB war damals der größte Tischkickerverein in Hannover und in der Bundesliga aktiv. „Die haben wohl gesehen, dass ich gute Hände habe für das Spiel“, so Heinrich. Deshalb luden sie ihn zum öffentlichen Training in der Nordstadt-Kneipe Destille ein und meldeten ihn schließlich für die KGB.
Ab da nahm Heinrichs Karriere so richtig an Fahrt auf. 2004 wurde er Stammspieler bei der KGB und direkt Vizemeister, 2005 dann erstmals deutscher Meister. Es folgten viele weitere Titel. 2014 wechselte die KGB-Bundesligamannschaft um Heinrich zu Hannover 96, wo sie die Erfolge fortsetzten.
Heinrich wurde insgesamt 13-mal deutscher Meister mit KGB und 96. Ein Highlight: 2012 gewann er mit der KGB sogar die Champions League. „In der Summe der Titel bin ich der erfolgreichste Spieler Deutschlands“, sagt Heinrich und grinst verlegen.
Großspurig soll das nämlich nicht klingen. Heinrich ist bescheiden – und schämt sich schon fast für seinen Erfolg. Vor dem Foto ist es ihm unangenehm, die mitgebrachten Trophäen aus dem Auto zu holen. Doch sind sie das Sinnbild seiner Karriere. Heinrich ist der einzige Krökelprofi, der jeden Titel gewann – der WM-Pokal 2022 komplettierte seine Sammlung. Tischkickerspieler können laut Heinrich eine Vielzahl an Stärken haben: Einige sind schnell in der Bewegung, andere können gut den richtigen Moment zum Schuss abwarten. „Es gibt eine Sache, für die ich berühmt bin – mein Ballbesitz aus freien Bällen.“ Das sind Bälle, die unkontrolliert über den Tisch rollen. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er danach zu mir kommt“, so Heinrich. Der viele Ballbesitz bringt ihm einen Vorteil, weshalb ihm fehlerbehaftete Spiele liegen. Um Fehler zu provozieren, erhöht er das Spieltempo, um mehr Hektik reinzubringen. Aber: „Talent alleine reicht nicht.“ Da Heinrich mit seinen 43 Jahren bereits den Herbst seiner Karriere durchlebt, trainiert er nicht mehr so intensiv wie früher, zu Hochzeiten stand er aber jeden Tag am Kickertisch. „Ich habe versucht, eine halbe Stunde am Tag allein ein Spielelement zu probieren. Danach habe ich im Match geschaut, ob es erfolgversprechend ist. Wenn ja, habe ich es weiter geübt“, sagt das Krökel-Ass. Er trainiert in den Vereinsräumen der KGB und selbstverständlich hat Heinrich auch einen eigenen Tisch zu Hause. Dazu hält er seinen Körper in Form: „Es ist gut, wenn man eine körperliche Fitness hat. Sonst schwächelt der Geist und die Bewegungen sind nicht mehr präzise.“
Wer schonmal in einer Kneipe mit Kickertisch war, weiß: Fast überall gibt es einen oft leicht angetrunkenen, „unschlagbaren“ Krökel-Champion. Ob Heinrich Spaß daran hat, solche Kaliber in die Schranken zu weisen? „Das mache ich nicht mehr“, sagt er schmunzelnd. „Kickert jemand in der Kneipe, finde ich es schön, dass die Leute meinen Sport betreiben. Wenn ich mitspiele, nehme ich nur die Freude am Spiel.“ Zwar habe der hobbymäßige Tischfußball wenig mit professionellem Tischfußball zu tun, „aber es ist die gleiche Leidenschaft darin“.
Apropos Leidenschaft: Trotz Alter und Status nimmt Heinrich an der WM im Juni im spanischen Zaragoza teil – seine wohl letzte. Er rechnet nicht mit einem erneuten Gewinn, jüngeren Teilnehmern schreibt er höhere Chancen zu. „Der Sieg 2022“, sagt er in seiner bescheidenen Art, „war schon eine Überraschung.“