Geschichte(n) des Geldes
Das Museum August Kestner hütet einen der größten Münzschätze Deutschlands.
In einer Ausstellung zeigt es, wie Europas Städte sich mit Bildern auf Münzen vermarktet haben.

Eine Medaille zur Errichtung des Ernst-August-Denkmals im Jahr 1861.
Hannover. Es ist eine Actionszene: Brutal trampelt das Sachsenross vor der pittoresken Stadtsilhouette von London den englischen Löwen nieder. Rücksichtslos keilt das rabiate Tier auch nach dem schottischen Einhorn aus. Um 1721 ließen Gegner von König Georg I., der aus Hannover stammte, die Medaille mit dieser Szene prägen. An ihrem Rand stehlen sich ein paar Plünderer mit prall gefüllten Säcken aus dem Bild. Vermutlich hinfort ins finstere Hannover.

Die Münzausstellung „Städtetrip – Stadtbilder Europas“ präsentiert das Kleinod jetzt im Museum August Kestner (MAK). Mit mehr als 100.000 Münzen und Medaillen aus 2600 Jahren hütet das Haus die „größte Sammlung ihrer Art in Norddeutschland“, wie Direktorin Anne Gemeinhardt sagt. Anhand von rund 180 Exponaten aus dem eigenen Fundus führt das MAK in der Ausstellung vor, wie Städte sich über die Jahrhunderte auf Münzen präsentierten. Stolze Stadtlandschaften dienten nach innen der Identitäts­bildung und nach außen der Imagepflege. Wie moderne Instagram-Selfies halfen Münzen bei der touristischen Vermarktung – oder sie verbreiteten politische Propaganda. Geld prägt die Weltsicht.

„Münzen waren eine Form von Social Media“, sagt Hannovers Kultur­dezernentin Eva Bender. So verewigte Herzog Johann Christian um 1660 Schloss und Stadt Celle auf einer 4-Taler-Münze. Ein Sachsenross mit den eingravierten Initialen „JC“ springt elegant durch die gepflegte Szenerie, und über allem waltet Gottes Segenshand.

Während die griechischen Stadtstaaten in der Antike eher Eulen und Göttinnen auf Münzen prägten, bildeten die Römer auch stattliche Gebäude wie Tempel ab. Im Mittelalter gab es kaum Prägungen mit Stadtansichten, doch in der Barockzeit avancierten Städte­medaillen zum eigenen Genre. Nach dem Vorbild der beliebten Merian-Kupferstiche kreierten Medailleure Stadtansichten von allen Orten, die auf sich hielten. Herrscher präsentierten ihre Residenz­städte dabei als prosperierende Gemeinwesen mit stattlichen Mauern und hohen Kirchtürmen.

Anders als Münzen, die als banale Zahlungs­mittel kursierten, dienten Medaillen dabei als prächtige Gedenk- oder Sammelstücke. Bei feierlichen Anlässen wie Friedens­schlüssen oder Thronfolger­geburten kredenzten Herrscher sie ihren hohen Beamten und Offizieren. „Medaillen sind Denkmäler für die Hand“, sagt Kuratorin Simone Vogt.

Hannover prägte Medaillen beispielsweise, um 1861 die Aufstellung des Ernst-August-Denkmals oder um 1987 das 40-jährige Bestehen der Städte­partnerschaft mit Bristol zu feiern. Bis heute tragen wir städtebauliche Ikonen wie den Stephansdom oder die Elbphilharmonie auf Euro-Münzen im Portemonnaie. Was wichtig ist, wird irgendwann zu barer Münze. Geldstücke spiegeln das ganz Große im ganz Kleinen.

Der Schauwert von Münzen ist dafür naturgemäß eher gering. Die Ausstellung kompensiert dies ziemlich clever: Sie zeigt teilweise meterhohe Abbildungen der Exponate. Es gibt Tastmodelle für Sehbehinderte und Tische, an denen Besucherinnen und Besucher Münzen mit Lupen selbst untersuchen können. Per QR-Code lassen sich die einzelnen Stücke auch mit dem eigenen Handy vergrößert betrachten.

Und es gibt Mitmach­stationen: An einer Prägemaschine können Kinder 5-Cent-Stücke in Quetschmünzen verwandeln, auf denen dann – neben anderen Motiven – das Kestner-Museum selbst zu sehen ist. Eine Münze als Souvenir aus dem Münzmuseum.

„Städtetrip“ ist bis zum 19. Januar im Museum August Kestner zu sehen. Informationen – auch zu Workshops für Kinder und Vorträgen – unter museum-

august-kestner.de oder (0511) 16842730.





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