Geschlossene Aufgaben vor seinen Angaben, den Schläger mit Bodenkontakt: Der Routinier wirkt geerdet – zudem sieht er mit dem Pferdeschwanz etwas wie ein Guru aus. „Ich habe meine Rituale, um mich voll zu fokussieren.“ Der seit einem Unfall vor 23 Jahren querschnittsgelähmte vierfache Vater hat sich nicht seit Jahren auf diese Chance vorbereitet, sondern seit Jahrzehnten. Mit sechs Stunden täglichem Training, die er am Bundesstützpunkt in Hannover abreißt. Und danach so groggy ist, dass er nicht mehr nach Hause ins Schaumburgische fährt, sondern in einem umgebauten Kastenwagen wohnt.
Wandschneider hat sich eine Kondition erarbeitet, mit der er die Rivalen müde zu spielen vermag. So wie im zweiten Einzel über 103 Minuten beim 2:1 (24:22, 12:21, 21:16) gegen den 24 Jahre alten Chinesen Yang Tong, womit er sich direkt für das Halbfinale qualifizierte. Länger hat bei den Spielen noch kein Match in dieser Sportart gedauert. Dass Wandschneider um jeden Ball verbissen kämpft, nervt die Gegner obendrein. Und macht den stets höflichen Spieler zum Publikumsliebling. In der Arena Porte de la Chapelle hatte er die Zuschauer auf seiner Seite, sie feuerten ihn mit Sprechchören an.
Dass er im Semifinale gegen Topfavorit Mo Qu Zi aus China klar mit 0:2 (1:21, 10:21) verlor, war zu verschmerzen. Der fünffache Einzel-Weltmeister lieferte im Bronze-Match ab, hatte zunächst aber Probleme, lag schon 14:18 hinten. „Der Wind war schwierig in der Halle wegen der Klimaanlage, er war jeden Tag anders“, sagte Wandschneider, der sehr präzise spielt. Den Koreaner störten die Bedingungen mehr, der VfL-Routinier drehte Satz eins und war im zweiten überlegen. „Ich will jetzt feiern und genießen, mit meiner Familie etwas anschauen in Paris“, sagte Wandschneider.
Und hört Wandschneider nun auf, da sein Traum wahr geworden ist? „Ich bin für alles offen“, sagt das Badminton-Ass. Er könnte mit 64 bei den Spielen in Los Angeles dabei sein. „Ich bin ja eigentlich im Rentenalter, aber mein Rentenbescheid beträgt nur rund 300 Euro“, räumt der Lindhorster ein. „Ich finde es schade, dass Deutschland seine Athleten nicht so viel wert sind. Und dass ich keine Sponsoren finde, obwohl ich doch für deutsche Qualitätsmerkmale wie Langlebigkeit und Robustheit stehe“, betont Wandschneider. Er hat Angebote aus dem Ausland, um als Trainer zu arbeiten. Oder er arbeitet eben auf die nächste Medaille in L.A. hin.
Im Doppel war Wandschneider mit Rick Hellmann (VfL Grasdorf) in der Vorrunde ausgeschieden. Marcel Adam scheiterte im Viertelfinale. Zwei weitere VfL-Athleten blieben trotz beachtlicher Auftritte ohne Erfolg: Mascha Mosel und Marco Herbst belegten im Rollstuhlrugby Platz acht. Zum Abschluss gab es ein 49:56 gegen Dänemark.