Unter dem Expo-Dach und neben dem Hermesturm sieht man viele Fans mit und in AC/DC-Merchandise; rote Plastikhörner als Kopfschmuck und schwarze Tour-Shirts aus allen Jahrzehnten. Die AC/DC-Fans sind eine große Familie, eine, die Sicherheit, Tradition und Beständiges bietet.
Punkt 19 Uhr dröhnen die ersten Klänge aus den Verstärkern. The Pretty Reckless, eine amerikanische Alternative-Rockband aus New York um Model und Schauspielerin Taylor Momsen („Gossip Girl“) gibt sich alle Mühe, wird aber mit einer Mischung aus Gefälligkeit und Ignoranz vom Publikum überhört. Die 31-jährige Sängerin schreit „Wo sind meine Ladys aus Hannover?“, „Hier!“, brüllen die dankend zurück, und wenige sind das wirklich nicht.
Dann, 20:30 Uhr, endlich, AC/DC legt los. Mit „If you want blood (you‘ve got it)“, einem der Überhits der Band: Ein pumpender Bass, verzerrte Gitarren, fette Drums und der schneidende Leadgesang, der Abend ist definiert, der Klang laut und es hat etwas Erhabenes, wenn Tausende Kehlen eine Band begrüßen. AC/DC wie es leibt und lebt, „50 Alben, und alle klingen gleich“, mokierte sich Pete Townshend von The Who vor einigen Wochen, und was für den einen langweilig, ist für Zehntausende ein Grund zu kommen.
Kultgitarrist und Schuluniformträger Angus Young ist immer noch der Mittelpunkt der einfachen Show, die doch so gigantische Bühnen braucht. Inzwischen grauhaarig und faltig im Gesicht, hüpft er im Entengang zum Bühnenrand und über den Catwalk. Sein Frontmann Brian Johnson - 2016 wegen Hörproblemen kurzfristig von Axl Rose, dem Guns-N‘-Roses-Sänger ersetzt – tut ein bisschen so, als wäre er der normalste Mensch der Welt - was natürlich ein Sänger von einer Band wie dieser nie sein kann. Schiebermütze ins Gesicht gezogen, die Welt ist ein Pub, er ist das Brown Ale im Glas.
Die Familie Young wiederum sind gebürtige Schotten, ausgewandert vor gut 60 Jahren nach Australien. Die Kapelle hat sich vor 51 Jahren gegründet, immer noch die Neuen in der Band sind Rhythmusgitarrist Stevie Young (seit 2014), Schlagzeuger Matt Laug (seit 2023) und Bassist Chris Chaney (seit 2024).
Brian Johnsons Gesang überzeugt. Immer noch. Er ist ein humorvoller, gutmütiger Typ mit Kreissäge anstelle Stimmbändern. Johnson gibt alles, es fällt ihm nicht in den Schoß, aber der Mann ist inzwischen auch 76 Jahre alt. „Back in black“, „Hells bells“ und „High voltage“, ihr Repertoire ist weltbekannt. Nach dem Tod von Bandgründer Malcom Young, dem altersbedingten Ausstieg von Bassmann Cliff Williams und dem Ausschluss von Schlagzeuger Phil Rudd, ist der 1,65 Meter große Angus das Auge des Sturms, er trägt das Konzert mit seiner Hyperaktivität und springt herum wie ein Teenager. Der 69-Jährige ist eben „larger than life“, größer als das Leben: Ganze 20 Minuten Zeit, Luft und auch Kraft hat er für sein Gitarrensolo bei „Let there be rock“.
Eine Hebetribüne trägt ihn dabei in die Höhe, Konfetti-Wolken umgeben ihn, seine gut 50 Gitarren-Boxen sind Zeugen. Den krönenden Abschluss macht „For those about to rock (we salute you)“ mit einer spektakulären Feuerwerksshow. AC/DC ist die englische Abkürzung für Wechselstrom/Gleichstrom und dieser Abend hat wahrlich elektrisiert.
Am morgigen Sonntag beenden die australischen Hardrocker ihre Europatour in Hannover