Speeddating mit dem neuen Hannover-Sound
„Musste hören!“ live beim Maschseefest am 6. August mit zehn spannenden Newcomern auf die Bühne am Nordufer

Entschleunigte Träume: Sängerin Joy Bogat.FOTO: PRIVAT
Hannover. Was wird aus Hannover, wenn die Scorpions nicht mehr sind?“ Danke, Thees Uhlmann, für diese wundervolle Refrainzeile! Die ist das heimliche Motto für alle, die sich für neue Musik und neue Bands aus der Stadt interessieren. Und sie war im Herbst 2019 auch der Impulsgeber, als die HAZ erstmals aktuelle Lieder von Künstlerinnen und Künstlern aus der Stadt als „Musste hören!“-Liste mit Tipps für deren Konzerte zusammengestellt hat. Es konnte damals niemand ahnen, dass wenige Monate später die Corona-Pandemie sämtliche Bühnen Hannovers leerfegt und die HAZ-Listen mit Videos und Streaming-Tipps zu einer Art Rettungsboot hannoverscher Musik wurden.Kann man diese „Musste hören!“-Listen eigentlich auch mal live auf eine Bühne bringen? Ja, man kann! Dabei kommt dann eine Show heraus, die es so in Hannover noch nicht gab: Zehn Acts und Bands, Sängerinnen und Sänger – das reicht für gewöhnlich für einen ganzen Festivaltag. Wir bringen sie an einem Abend innerhalb von gut drei Stunden auf die Maschseefest-Hauptbühne. Damit das ohne große Umbaupausen geht, werden alle von einer eigens zusammengestellten Band (Nic Knoll, Finn MacCormac, Stephan Püschel, Peer Bothmer und Artur Kühfuß) begleitet. Das Publikum darf also eine Art Speeddating mit Hannovers Musik von Morgen erwarten. Nina FrecklesNina Freckles begeistert mit ihren introspektiven Songtexten und entführt mit Humor und Leichtigkeit in die Klangwelten ihrer Musik. Zwischen Folk und Soul fühlt sich die Songwriterin zu Hause und lässt sich von musikalischen Größen wie Joni Mitchell und Sara Bareilles beeinflussen. Dabei lässt die Mischung aus jazzy Harmonien und folkigen Rhythmen nie ein Gefühl der Verlorenheit aufkommen. Dafür sorgen vielleicht auch die familiären Wurzeln, die einerseits in den Kreis Harburg, andererseits bis nach Rio reichen. Wer Ohren dafür hat, kann beides heraushören: Nina Freckles groovt immer. Sogar, wenn sie ihren Kaffee umrührt.
Ottolien

Ottolien sind die Brüder Leo und Jonas. Der eine Produzent, Rapper und Beatbastler und der andere verkopfter Liedschreiber mit Westerngitarre. Mit „Wir tun uns so gut weh“ haben die zwei Ende 2023 ein brachial gefühlvoll getextetes Debütalbum geschaffen und komplett selbst produziert. Im Februar 2024 haben sie den Song „Das Wort“ nachgeschoben. Und der könnte thematisch (leider) nicht aktueller sein. Darin beschäftigen sie sich mit der Eskalationsspirale vom gesprochenen Wort hin zu rechter Gewalt. Wenn das Unsagbare gesagt wird, sind Taten nicht mehr weit.

Joy Bogat

„Maybe being soft is what makes us worthy of trust.“ Mit diesem Motto läutet die Künstlerin Joy Bogat eine neue musikalische Phase ein – mutiger, eigensinniger, aber immer noch so warm und einladend, dass jede und jeder einen eigenen Platz darin findet. Getragen von Bogats klarer und außergewöhnlicher Stimme treibt ihre Musik nach wie vor zwischen Soul, Alternative, R‘n‘B und Indie. Ihre Songs sind inspiriert von ihrer Liebe zu Büchern, ihrem Ausleben von radical softness und einem Prozess der Selbstverortung als schwarze deutsche Frau.

Finn MacCormac

Finn MacCormac schreibt seine Songs so, wie er spricht: offen, ehrlich und manchmal ein bisschen zu viel. Groß geworden als Bassist auf den Bühnen der nordhessischen Metropolregion ist er inzwischen meist mit seiner Band auf der Suche: nach denen, die weggezogen sind, den letzten Gesprächen an einem langen Abend, nach dem Gefühl, verliebt zu sein, und immer nach sich selbst. Der Soundtrack dazu: kratziger, aber melodiöser Indie-Pop, zuweilen unter Beimischung von etwas Punk-Attitüde.

Darian Tabatabaei

Darian Tabatabaei ist Drama, Pathos, Kitsch und Rock ‘n‘ Roll. Man vergisst schnell, dass man eigentlich gerade auf einem Konzert und nicht bei einem Musical ist. Siebzigerjahre-Vibes, mehrstimmiger Gesang, eine Wand aus Klang und tausend Farben. Und das Ganze, während Darian auf deutscher Sprache seine Emotionen greifbar macht: mal kalt und trocken – mal groß und flamboyant. Das hat er kürzlich bei der Premiere des „Pianobombings“ in Hannover bewiesen.

Amina

Sängerin Amina ist in Hip-Hop, Soul und Bolero zu Hause. Die Sängerin erzählt in ihren Texten sowohl auf Deutsch als auch auf Spanisch von sozialer Ungerechtigkeit, Schmerz, Verlust, aber auch von Mut, Selbstbestimmung und der Freude am Leben – Qué viva la música!

Emily-Mae Lewis

Sitzen, süppeln, schwanken, Quatsch und Melancholie, und das alles bei gigantischer Gemütlichkeit: Dafür sorgt Singer-Songwriterin Emily-Mae Lewis, die in den vergangenen Jahren mit der Band „Spoon and the Forkestra“ durch die Gegend tingelte. Das Konzert wird ein Tresen-Schnack in Form von zynischen Chansons und gutem alten Schwankel-Folk.

Taper

Taper singen von Träumen, Dystopien und Weltschmerz – aber selbst das mit Ironie und auf charmante Art tanzbar und mit einer zwingenden Fluffigkeit. Das Besondere der Band: Neben Mastermind Nic Knoll (der nebenbei Musical Director des ganzen Abends ist) gehören noch drei weitere Solisten, die sonst in eigenen Bands ganz vorn stehen, zu Taper. Allesamt „Rampensäue“, wie Knoll sagt. Das Publikum darf darauf gefasst sein, dass auf der Bühne viel los ist. Musikalisch und auch sonst.

Cathy Meyer

Cathy Meyer singt und spielt Gitarre, Ukulele oder Klavier und klingt dabei sanft und unprätentiös. Sie findet mit ihrer einzigartigen Stimme und eingängig melodischen, manchmal etwas melancholischen Songs direkt ins Herz des Publikums. Meyer ist zudem eine von immer noch viel zu wenigen Frauen in der Stadt, die nicht nur Komponistin und Interpretin, sondern auch versierte Produzentin und Toningenieurin im Studio ist.

The Driftwood Orchestra

The Driftwood Orchestra als Orchester zu bezeichnen ist vermutlich vermessen, besteht es doch derzeit aus nur einer getriebenen und sich treiben lassenden Person. Der auf ihrem Weg eine Menge anderes Treibholz begegnet, das sie prägt, sie manchmal mitreißt, manchmal wider Willen unter Wasser drückt, häufig als Halt dient, aber vor allem: immer nachhaltig prägt. Nichts, so sagt der Sänger und Gitarrist Stephan Püschel, geht spurlos an uns vorüber, egal wie beiläufig es erscheint. Jede Begegnung schlägt sich in unserer Gegenwart und Zukunft nieder.



Druckansicht