„Alles ist möglich in Paris“
Hannovers Olympia-Starter – Teil fünf:
Langstreckenspezialist Sven Schwarz will ins Finale über 800 und 1500 Meter

Will auch in Paris jubeln: Sven Schwarz von Waspo 98 ist bei den Spielen über 1500 und 800 Meter Freistil dabei.Foto: Michael Kappeler/dpa
Hannover. Sven Schwarz schaut sich das unter Wasser alles ganz genau an. Immer. Das ist wichtig, womöglich wagt da einer auf den Außenbahnen doch mal einen Ausreißversuch. Der Langstreckenschwimmer von Waspo 98 befindet sich meist in der Mitte des Beckens, wo die schnellen Leute unterwegs sind. Und hat von dort den besten Durchblick. Das Feld der Konkurrenten in Paris kann er vorher noch nicht so recht überschauen, der Lindener weiß aber: „Bei Olympia wird es natürlich noch enger.“ Der WM-Vierte über 800 Meter ist für die Spiele als Viertschnellster gemeldet, über die 1500 Meter als Siebter. „Die Zeiten bedeuten nicht so viel. Auf diesen Strecken ist alles möglich“, sagt Schwarz, „und das gilt auch für mich.“

Es gab schon Interessenten aus den USA, sie hätten Hannovers schnellsten Schwimmer gern in einer professionellen Trainingsgruppe in den Staaten gesehen. Und nach dem Abitur lockte die Schwimmhochburg Magdeburg. Doch die Anfragen sind abgeebbt. „Es hat sich herumgesprochen, dass ich hier glücklich bin und nicht wechseln werde, das steht nicht zur Debatte“, sagt der Ex-Wunstorfer. Großen Anteil daran hat Rosalie Kleyboldt, seine Freundin, mit der Schwarz seit rund zwei Jahren in Linden-Süd wohnt. Die frühere Essenerin hatte ihre Karriere (100 und 200 Meter Freistil) selbst in den USA zu befeuern versucht, was nicht gelang. Sie studiert mittlerweile in Hannover Public Relations, schwimmt nur noch zum Vergnügen bei Waspo und macht Öffentlichkeitsarbeit für den Landesschwimmverband. „Rosalie hilft mir sehr, weil sie genau weiß, wie das bei den Wettkämpfen alles funktioniert“, sagt Schwarz, „und wir kennen uns ja schon lange.“

Der 22-Jährige ist Sportsoldat und konzentriert sich zu 100 Prozent aufs Schwimmen, ein Studium soll frühestens nach Olympia dazukommen. „Ich will mir nicht vorwerfen, ich hätte nicht genug trainiert“, bekräftigt Schwarz, der gern Auto fährt und sich mit seinem Vater Jobst zwei Oldtimer geleistet hat (einen Fiat 500 aus dem Jahr 1971 und einen Alfa Romeo Alfetta von 1983). Um zum Training zu kommen, braucht er keinen Wagen. „Dichter dran kannst du am Olympiastützpunkt nicht sein, das macht es sehr einfach“, so Schwarz, der lange das Lotto-Sportinternat des Landessportbundes besucht hat und kurze Wege schätzt.

Sein Weg zu Olympia war das freilich nicht, ganz im Gegenteil. Schon für Tokio 2021 hat nicht sehr viel gefehlt, eine Corona-Infektion bremste Schwarz entscheidend aus. In diesem Jahr erfüllte er sich den Traum von den Spielen mit Platz vier bei der WM in Doha über 800 Meter und Silber bei der deutschen Meisterschaft über 1500 Meter. „Renneinteilung, Übersicht und Kampfgeist, bei Sven stimmt alles. Er kann in Paris über sich hinauswachsen“, ist Waspos Schwimmexperte Karl-Heinz Windt überzeugt.

„Wir haben auf jeden Fall eine stärkere Mannschaft als in Tokio, und die Stimmung ist sehr gut. Ich bin überzeugt, es wird viele Überraschungen geben“, sagt Schwarz. Dass er selbst für eine sorgen könnte, ist angesichts der Leistungen dieses Jahres nicht weit hergeholt. „Es werden in Paris aber Leute auftauchen, von denen man einige Zeit nichts gehört hat“, so Schwarz und spielt damit auf den Amerikaner Robert Finke an, der in Tokio über 1500 Meter Gold holte und bei der WM fehlte. Womöglich sogar einige Chinesen, deren Team trotz Massendopingverdachts auch bei Olympia seine Kreise ziehen darf? „Ich kann nur hoffen, dass es fair zugeht und alle sauber sind“, antwortet Schwarz. „Letztlich ist es so, du musst eben versuchen, alle Leute zu schlagen, die vor Ort sind. Egal, wer es ist.“

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