Bereits im Juni wurde auf Bundesebene ein neues Straßenverkehrsgesetz beschlossen. Dies war die Grundlage für eine Reform der Straßenverkehrsordnung, für die es nun im Bundesrat ebenfalls eine Mehrheit gab. Eine wesentliche Änderung ist, dass bei den Planungen nicht mehr allein die Leichtigkeit des Verkehrs und die Sicherheit im Mittelpunkt stehen, sondern auch neue, nachhaltige Ziele definiert werden können. In der Vergangenheit ging es in der Praxis vor allem darum, dass der Autoverkehr flüssig fließen sollte.
Zwar muss dieser Faktor auch in Zukunft bei der Verkehrsplanung mit bedacht werden; der gesetzliche Rahmen sieht vor, dass die Leichtigkeit des Verkehrs „berücksichtigt“ werden muss. Allerdings wird es künftig einfacher sein, Einschränkungen für den Autoverkehr umzusetzen, sofern damit Verbesserungen für Klima, Umwelt, Gesundheit oder den Städtebau verbunden sind. Zugleich macht die neue Gesetzgebung deutlich, dass es dadurch nicht zu Einschränkungen der Sicherheit kommen darf. „Das neue Straßenverkehrsgesetz ist ein absoluter Meilenstein. Damit findet die alleinige Priorisierung des Autoverkehrs ein Ende“, erklärt die hannoversche Bundestagsabgeordnete Swantje Michaelsen. Die Grünen-Politikerin war bei den zähen Verhandlungen um die neuen Regeln für den Straßenverkehr dabei. Diese waren im ersten Anlauf im November 2023 im Bundesrat gescheitert.
Vor allem die von der CDU geführten Länder wollten, dass mit der Umsetzung der neuen Ziele keine Einschränkungen bei der Sicherheit verbunden sind. Die jetzt mit der Novelle beschlossenen neuen Regeln sind für Michaelsen aber nur ein erster Schritt: „Das neue Straßenverkehrsgesetz ermöglicht eigentlich noch deutlich mehr.“
Auch Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) begrüßt die Änderungen grundsätzlich. „Aber unsere Erwartungen waren höher. Wir hätten uns gewünscht, dass wir mehr Möglichkeiten der Gestaltung bekommen“, sagt er. Die Stadt Hannover gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Bündnisses für „Lebenswerte Städte und Gemeinden“, dem sich über die Parteigrenzen hinweg mittlerweile mehr als 1100 Städte, Gemeinden und Landkreise angeschlossen haben. In einem gemeinsamen Positionspapier setzen sich diese etwa dafür ein, dass sie künftig „ohne weitere Einschränkungen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort anordnen können, wo sie es für notwendig halten“.
Diesen Wunsch erfüllt das neue Straßenverkehrsrecht nicht. Tempo 50 bleibt auf Hauptverkehrsstraßen die Regel. Ausnahmen müssen die Kommunen wie bisher sehr konkret begründen; der Autoverkehr darf nicht unangemessen beschränkt werden. Dennoch bekommen die Städte und Gemeinden neue Spielräume für Tempo-30-Zonen. Denn als weitere Ausnahmen, die dies ermöglichen, wurden nun Spielplätze sowie stark frequentierte Schulwege definiert. Zudem können Tempo-30-Bereiche künftig verbunden werden, wenn maximal 500 Meter dazwischen liegen. Bisher lag die Obergrenze bei 300 Metern.
Nach Einschätzung der Stadt könnte etwa entlang des Altenbekener Damms (Südstadt) Tempo 30 angeordnet werden, in dessen Umfeld mehrere Schulen liegen. Bisher gilt das Limit dort nur punktuell. Längere Abschnitte mit Tempo 30 könnten auf Basis der neuen Regeln auch Im Heidkampe (Bothfeld), an der Walderseestraße (List) sowie am Kattenbrookstrift (Bemerode) entstehen.
Zudem wird es leichter für die Stadt, Radverkehrsstreifen anzuordnen. Bisher habe man eine Gefahrenlage für den Radverkehr nachweisen müssen. Jetzt könne die Einrichtung „allein auf der Grundlage eines Konzeptes wie etwa einem Veloroutennetz rechtssicher erfolgen“, so die Einschätzung der Verwaltung.
Die grüne Bundestagsabgeordnete Michaelsen geht davon aus, dass es zum Beispiel möglich wäre, entlang der Vahrenwalder oder Hildesheimer Straße Fahrspuren für Autos zum Radweg zu machen. Dort gibt es zwar Radwege auf dem Bürgersteig. Allerdings sind diese oft extrem schmal. Deshalb kommt es zu Konflikten mit dem Fußverkehr. Michaelsen betont aber auch, dass die Stadt eine solch weitgehende Maßnahme nicht umsetzen könne, ohne sich zuvor politische Rückendeckung zu holen.
Einfacher wird es für die Stadt auch, Zebrastreifen anzuordnen. Das war bisher oft erst möglich, wenn es zuvor zu Unfällen gekommen war. Auch die Anordnung von Busfahrspuren wird erleichtert. Zudem können Länder und Kommunen probeweise Sonderfahrspuren für E-Autos oder Fahrgemeinschaften einrichten.