Auch wenn der 63-Jährige seinen Job seit Ende vergangenen Jahres nicht mehr ausübt – unter anderem war er Bezirksschornsteinfegermeister für die List und Vahrenwald –, macht er trotzdem weiterhin glücklich: als Zauberer. Schon seit 35 Jahren versetzt er sein Publikum mit seinen flinken Fingerfertigkeiten in Verzückung und lässt so manchen sprachlos zurück. „Es ist das geilste Gefühl überhaupt, wenn Leute verblüfft sind. Das fühlt sich ähnlich gut wie Applaus an“, meint er.
„Ich war 13, als mein Onkel mir Tricks gezeigt hat“, erinnert sich Böttcher im Gespräch mit uns an die ersten Berührungspunkte mit Magie, die ihn gleich begeistert haben. „Übe das“, habe der Onkel ihm dann immer gesagt, „und wenn du es kannst, zeige ich dir den nächsten.“ Er trainierte, erarbeitete sich Tricks und verfolgte das Tun großer Namen in der Szene wie etwa das von Siegfried Fischbacher und Roy Horn, die als Zauberer- und Dompteurduo „Siegfried und Roy“ weltberühmt wurden.
So kam es schließlich, dass Böttcher 1988 selbst eine Nummer in unserer Stadt wurde. Da begann er, kranke Mädchen und Jungen im Kinderkrankenhaus auf der Bult zu bespaßen. „Mein Neffe kam als Frühchen zur Welt, deshalb war ich sehr häufig in der Klinik“, erinnert er sich. „Es hat mir ungeheuren Spaß bereitet, ich musste einfach immer wieder hingehen.“
Schnell wurde ihm da allerdings auch vor Augen geführt, dass es eben nicht nur lustige Momente mit den jungen Patientinnen und Patientin gibt. „Ich habe Kinder aus dem Bosnienkrieg gesehen, die wegen ihrer Brandverletzungen in Hannover behandelt worden sind. Ich habe diese Kinder sterben sehen“, sagt Böttcher. Das brachte ihn nicht davon ab, dort 20 Jahre lang immer freitags als Zauberer tätig zu sein. Ehrenamtlich, versteht sich. Damit dürfte er als erster Krankenhauszauberer in die Geschichte Deutschlands eingegangen sein.
Parallel ist er auf Veranstaltungen und Feiern aufgetreten – Ball des Sports, Maschseefest-Eröffnung, Galas der Hannöverschen Aidshilfe, Lange Nacht der Theater. Sein Netzwerk wuchs rasant: „Nach zwei Tagen auf dem Opernball wurde mein Postfach von Anfragen geflutet.“ Mittlerweile hat Böttcher Zehntausende Anhänger der Zauberei kennengelernt, Fans wie Amateure und Profis gleichermaßen. Sein Fokus richtet sich nach wie vor auf Comedy Magic – bei Böttcher geht es meist sehr lustig zu –, außerdem ist er ein Meister der Close-up-Zauberei.
Für seine Kunststücke nutzt er meist Gegenstände aus dem Alltag: Münzen, Karten, Löffel. „Ich versuche einfach, mit allem, was da ist, zu zaubern.“ Seinen Allzeit-Lieblingstrick kann Böttcher klar benennen. „Eine Münze durch einen Tisch hindurchwandern zu lassen.“ Dafür hat er auch immer einen Tisch dabei, an dem er das vorführen kann. Wie lange hat er denn an dieser Nummer „Melting Point“ gearbeitet? „Die habe ich bestimmt 200 Stunden geübt. Es war das Intensivste, mit dem ich mich beschäftigt habe.“
Für neuen Input fährt Böttcher regelmäßig zur „Magic Convention“ ins englische Blackpool, es ist der größte Zauberkongress der Welt. Da besucht er Shows und Seminare, bis zu 7000 Leute machen dort von morgens bis abends nichts anderes als zu zaubern. „Das haut mich regelrecht um.“ Und was für ein Publikum ist ihm eigentlich das liebste? „Gäste, die sich darauf einlassen“, sagt er ohne Umschweife. Das sind Menschen, die seine Darbietung auf sich wirken lassen und diese genießen.
Böttcher will zwei weitere Kategorien nicht unerwähnt lassen. Nämlich die der Leute, die unbedingt wissen wollen, was hinter den Tricks steckt, „und dann gibt es noch diejenigen, die schon alles erklären, während ich noch zaubere“. Viele könnten eben nicht damit umgehen, dass jemand etwas kann, was sie nicht können – oder was sie nicht verstehen können.
Ein kleines Menschenkind versteht schon sehr genau, was er da treibt: seine Enkelin Elli (3). „Akrapadabra!“, ruft sie bereits und ahmt ihren Großvater nach – nur verschwinden bei ihr die Dinge noch nicht so gut wie bei ihm. Nicht selbstverständlich: „Kinder gucken immer dahin, wo sie eigentlich nicht hingucken sollen“, sagt Böttcher lachend. Nicht selten hebt er bei den ganz Vorlauten die Hand, schnipst und sagt „Schlaf!“
Das hat auch seinem besten Freund immer gut gefallen, Cartoonist Uli Stein. Die beiden waren bis zu dessen Tod im Jahr 2020 unzertrennlich. „40 Jahre lang haben wir jeden Tag telefoniert, uns zweimal die Woche gesehen.“ Stein, gleichzeitig sein größter Kritiker, hat Böttcher zu dessen 40. Geburtstag Tickets für eine „Siegfried und Roy“-Show in Las Vegas geschenkt: Tisch eins, Platz eins. Nicht nur deshalb wird der Mann mit der frechen Maus immer einen Platz in der ersten Reihe in Böttchers Herzen haben.