„Brotzeit“ heißt die Initiative, die Schauspielerin Uschi Glas 2009 ins Leben gerufen hat. Der Verein sorgt dafür, dass demnächst auch an der Beuthener Grundschule in Mittelfeld für Kinder wie Hamed, Alicia und Briella ein Frühstücksbuffet aufgebaut wird. Gespendet werden die Nahrungsmittel in ganz Deutschland vom Discounterriesen Lidl. Mit der Beuthener Grundschule als zweite Schule in Hannover fasst „Brotzeit“ hier jetzt richtig Fuß.
Treibende Kraft hinter den Aktionen in Hannover ist „Brotzeit“-Projektleiterin Tillmann (54). „Viele der Kinder müssen morgens allein aufstehen, weil die Eltern bereits arbeiten, nach der Nachtschicht noch schlafen oder aus anderen Gründen nicht aufstehen. So bekommen sie ein richtiges Frühstück und müssen nicht hungrig im Unterricht sitzen“, sagt Tillmann. Sie besucht die Schulen, spricht mit den Lehrern und Lehrerinnen, organisiert und unterstützt, wo sie kann.
Die Grundschule Beuthener Straße ist neu in dem Projekt, nach den Sommerferien soll das Frühstücksbüfett starten. Allerdings fehlt der Schule noch ganz entscheidende Hilfe – sie sucht ehrenamtliche Frühstückshelferinnen und -helfer ab 55 Jahren: „Die Idee ist, dass Seniorinnen und Senioren die Kinder beim Frühstück betreuen und Zeit mit ihnen verbringen. Hier geht es nicht nur um Brote schmieren, sondern die Kinder haben oft auch Gesprächsbedarf, sind einfach glücklich, wenn ihnen jemand mal Zeit und Aufmerksamkeit spendet und zuhört. Brotzeit ist ein Generationenprojekt“, sagt Tillmann. Bisher haben sich sechs Menschen bei Schulleiter Martin Preisigke gemeldet, um mitzumachen. Aber je mehr dabei sind, desto besser können die Aufgaben auf viele Schultern verteilt werden.
Bei Brotzeit ist Tillmann mit ganzem Herzen dabei: „Hier kann ich wirklich mit meiner Arbeit etwas Gutes bewirken.“ Menschen, die Hilfe brauchen, im Job zu unterstützen, dieser Wunsch sei im Laufe ihres Lebens immer mehr gewachsen. „Ich habe ziemlich schnell Karriere gemacht und war als Managerin in der Qualitätssicherung bei einem Telekommunikationsunternehmen, als ich 2004 mit einem befreundeten Ehepaar und einer Freundin für einen Urlaub nach Thailand flog“, erzählt sie. Eine Reise mit gravierenden Folgen – Tillmann wurde Augenzeugin des verheerenden Tsunamis am 26. Dezember 2004, der in Thailand und zwölf anderen Ländern etwa 230.000 Menschen das Leben kostete.
Ihre erste Unterkunft am Strand habe ihnen nicht gefallen, daher hätten sie noch einmal auf einen Bungalow gewechselt, der auf einer höher gelegenen Klippe stand. Zum Glück: „Als ich am nächsten Morgen früh erwachte, war das Meer extrem weit weg, aber ich habe mir noch nichts dabei gedacht. Die Leute liefen unten am Strand herum und sammelten Muscheln an Stellen, wo sonst das Meer war“, erinnert sie sich an den Tag, der ihr Leben verändern sollte.
„Erst später, als eine Thailänderin anfing zu schreien, wurde uns bewusst, in welcher Gefahr wir waren.“ Ihre kleine Reisegruppe konnten gerade noch die Sachen packen und fliehen, bevor die Tsunamiwellen auch ihre Ferienwohnung erreichten. „Das Land fiel ins Chaos“, erzählt sie: „Die Preise explodierten, die Menschen kämpften um die Plätze in den Autos, wollten nur noch weg. Jeder hat nur noch gesehen, dass er durchkommt. Vielen thailändischen Familien brach die Existenzgrundlage von jetzt auf gleich weg. Ich habe in der Zeit gelernt, nichts zu beurteilen. Wer weiß, welche Hintergründe die Menschen zu ihren Handlungen angetrieben haben?“
Zurück in Deutschland fand sie nicht in ihrem alten Job zurück – sie hatte sich verändert, suchte etwas Sinnstiftendes. Da ihre Tochter unter Atemwegserkrankungen litt, kam sie auf die Idee, sich mit einer Salzgrotte selbständig zu machen. Sie eröffnete die „Salzzeit“ in Burgwedel. Zehn Tonnen pakistanisches Himalayasalz verbaute sie, gestaltete den Raum wie eine Höhle, in der ihre Kunden inhalieren konnten. Elf Jahre lief das Unternehmen gut. „Dann kam Corona“, sagt Tillmann. „Alle hatten Angst, sich in der Grotte anzustecken.“ Schließlich musste sie die Höhle schließen. Das Salz verschenkte sie an Jäger, Pferdebesitzer und den Serengeti-Park.
Die zweifache Mutter kehrte noch einmal in ihren alten Job zurück. Als Führungskraft sollte sie in den Callcentern Leute entlassen. „Das konnte ich nicht. Wie mit der Ressource Mensch umgegangen wurde, war nicht mit meinem Gewissen zu vereinbaren.“ Sie kündigte erneut und entdeckt „Brotzeit“. „Jetzt bin ich angekommen. ‚Brotzeit‘ fordert viele Fähigkeiten von mir, dazu ist es eine sinnvolle Aufgabe, bei der ich täglich sehen kann, was ich bewirke. Das öffnet mir das Herz“, sagt sie glücklich und fügt hinzu: „Die Not der Kinder ist teilweise so groß, da können wir doch nicht wegschauen!“
Wer sich in der Beuthener Schule bei „Brotzeit“ engagieren will, kann sich bei Stefanie Tillmann unter der Mobilnummer 0152/54845825 melden.