Ich sehe in dem Gerät „die perfekte Ergänzung für mein clever durchdachtes Lichtsetting“. Meine Frau sieht in dem Gerät „noch so ein überflüssiges Dings für den Keller“. Meine Kinder sehen darin „ein neues Spielzeug für Papa“. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Scheinwerfer gibt’s nicht im kleinen Scheinwerferladen nebenan. Die beiden Platzhirsche im Bereich Musikerbedarf und Showtechnik sind das Traditionshaus Thomann (in der Szene liebevoll „Big T“ genannt) und der Herausforderer Music Store (in der Szene liebevoll „Music Store“ genannt). Bei Thomann soll der Hydrabeam 649 Euro kosten, der Music Store führt ihn gar nicht, das etablierte Musikhaus Korn verlangt 669 Euro, Amazon gar 695 Euro. Ziemlich viel Geld.
Nur der Anbieter Klangplan.net ruft 529 Euro auf. Für ein Neugerät. Ein vernünftiger Preis. Kein dubioser 99-Euro-Quatsch. Aber Klangplan? Nie gehört. Andererseits: Wer kennt schon alle Onlineshops der Welt? Amazon war auch mal neu.
„Sie sind auf der Suche nach dem perfekten Studio-Equipment?“, heißt es auf der Klangplan-Startseite. „Wir haben alles, was Ihr Musikerherz begehrt.“ Ansonsten: keine Rechtschreibfehler. Keine Quatschpreise. Solide Ansprache. Tausende von völlig korrekten Produktbezeichnungen. Tadellose Fotos. Im Impressum: eine Postadresse in 38820 Halberstadt, eine Telefonnummer, Geschäftsführung, E-Mail-Adresse, AGB, Handelsregistereintrag, Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, Rückerstattungsrichtlinien, Widerrufsformular. Die angebotenen Bezahlarten: Paypal, Visa, Klarna, Vorauskasse, Mastercard und Apple Pay. Alles da.
Ich google „Klangplan Erfahrungen“ – und finde: nichts. Keine Lobeshymnen. Keine Fundamentalkritik. Ein weißes Blatt. Offensichtlich ist da ein neuer Händler mit erfreulichen Preisen am Start. Ich bestelle. Und erhalte per Mail sofort eine Bestätigung („Vielen Dank für Ihre Bestellung bei Klangplan, Nummer: 23511, am 01.03.2024, 13:23“), dazu eine Rechnung („Lieferzeit: 3–5 Tage“) und das Versprechen: „Bei Rücksendung erhalten Sie den vollen Kaufpreis erstattet.“
Als Zahlart steht mir allerdings plötzlich nur noch Vorkasse zur Verfügung. Vorkasse? Klare Sache, denke ich: Ich bin ein neuer Kunde, die erste Bestellung, da ist man vorsichtig. Ich möchte das auch ein bisschen denken, denn der Preis ist so verflucht attraktiv. Der Kontoinhaber heißt angeblich „Frank N.“, daneben: eine IBAN. Der Bankname wird nicht genannt (es handelt sich um die Santander Consumer Bank). Ich überweise. Schön blöd? Selbst schuld? Aber hallo.
Ich gerate ins Grübeln. Drei bis fünf Tage später: keine Post. Keine Ware. Ich google erneut. Kurz nach meinem Kauf berichtet ein erster Youtuber von miesen Erfahrungen. Ich gebe bei Google Maps die angebliche Klangplan-Adresse ein. Ein Wohngebiet in Halberstadt. Ich rufe die Sparkasse an. „Habe ich eine Chance, meine 529 Euro zurückzubekommen?“ – „Schwierig“, heißt es. Bei Zahlarten wie Paypal, Bankeinzug oder Kreditkarte geht es einfacher. Bei Überweisungen ist es verzwickt. Man könne einen „SCT SEPA Recall“ veranlassen. Dazu müsste allerdings der Empfänger selbst seiner Bank erlauben, das Geld zurückzusenden. Sehr witzig.
Die Sparkasse bemüht sich redlich. Und sie rät mir, auch die Santander Consumer Bank zu informieren. Ich rufe die dortige Hotline an. Man gibt sich interessiert und verrät mir, dass der Kontoinhaber dort nicht als „Frank N.“ firmiere, sondern als „Tim N.“ aus Düsseldorf. Datenschutz pipapo. Ich rufe auch Klangplan an: eine tröstende Bandansage. Der Cameo wird nie geliefert. Wahrscheinlich hat er nie existiert.
Ich verabschiede mich innerlich von meinem Geld. Und ich gehe zur Polizei. „Ich möchte Anzeige wegen Betrugs erstatten“, sage ich. Der Beamte am Empfangstresen sieht mich an wie etwas, das der Sperrmüll vergessen hat. Vielleicht hätte ich nicht meine Sweatkapuzenjacke anziehen sollen.
Ich schildere meinen Fall, gebe ein artig vorbereitetes Protokoll ab und trolle mich. Man werde sich melden. Zwei Tage später ruft tatsächlich eine Beamtin an und hat Nachfragen. Es könne sich um Identitätsdiebstahl handeln. Manche Betrüger nutzten die Profile erloschener Unternehmen. Es werde ermittelt. Ich ermittle selbst: Die Spur der Website führt nach Kalifornien. Das ist ziemlich weit weg von Halberstadt. Die Kontoinhaber auf den Rechnungen wechseln offenbar. Alles riecht nach Betrug.
Inzwischen warnen auch erste Verbraucherportale vor Klangplan. „VORSICHT FAKE UNTERNEHMEN“, schreibt ein Kunde bei der Bewertungscommunity Trustpilot. „Ware kommt nie, Antworten auch nicht mehr, Geld weg. Anzeige läuft.“ Ein anderer schreibt: „Definitiv Fake Shop. Keine Ware nach Bezahlung. Frage mich, warum ich diesem Betrug nicht Einhalt geboten und die Seite behördlich geschlossen wird.“ Ein schwacher Trost: Ich bin nicht allein. „Wie dumm war ich?“, schreibt ein Kunde. Ja, Mann. Ich fühle mit dir.
Dann geschieht etwas Seltsames: Am 20. März, drei Wochen nach meiner Bestellung, landen 529 Euro auf meinem Konto. „Betreff: Return.“ Absender: „Tim Frank N.“ Mein Geld ist wieder da. Offenbar auf Initiative der Santander Consumer Bank. Von der Sparkasse kommt einen Tag später ein Schreiben: Leider habe die Rückabwicklung nicht geklappt. Das Geld ist aber echt.
Woran erkennt man nun einen Fake Shop im Internet? Vor wenigen Wochen hätte ich noch gesagt: Einem einigermaßen cleveren, aufgeklärten Konsumenten kann das kaum passieren. Ja, Pustekuchen. Typische Alarmzeichen sind: Rechtschreibfehler, gefälschte Gütesiegel, absurd niedrige Preise, übertriebenes Kundenlob, billiges Websitedesign, ein dubioses Impressum – doch all das gab es bei Klangplan nicht. Es ist ein verflucht clever gemachter Fake.
Dass freilich nur „Vorkasse“ angeboten wird, war ein riesengroßes, leuchtendes Gefahrensignal. Ich habe es ignoriert. Inzwischen habe ich den Scheinwerfer bei Thomann bestellt. Ich warte jetzt auf Post von der Staatsanwaltschaft, dass das Verfahren eingestellt wurde. Halberstadt schweigt weiter. Die Website ist bis heute online.
Mehr Informationen zu Fake Shops finden Sie bei der Verbraucherzentrale, bei der Sparkasse oder unter www.polizei-praevention.de/fakeshop. Anzeigen nimmt die Polizei auch online entgegen.