Wer Krimis schreibt, lebt in „Letztes Kapitel Hannover“ (Gmeiner, 412 Seiten, 14 Euro) gefährlich. Ein schnöseliger Schriftsteller wird im Vorfeld des Krimifestes in seinem Hotelzimmer gemeuchelt und zwar auf dieselbe Art und Weise wie das Opfer in seinem letzten Bestseller. Am Eröffnungsabend im Kuppelsaal des HCC (das Covermotiv) wird eine Autorin erdrosselt, auch hier gibt es Parallelen zu einem ihrer Bücher. Da jene Loretta Lamar aber als Übernachtungsgast in der Senioren-WG von Charlotte Stern untergebracht ist, ruft das die frühere Archivarin der Polizei Hannover auf den Plan. Denn auch deren Lebensgefährte Philipp stellt auf dem Krimifest sein erstes Werk vor.
Das Szenario klingt blutig, ist aber weit entfernt von einem Thriller. „Ich schreibe Cosy Crime“, sagt Rimkus freimütig über die Stilrichtung der Wohlfühlkrimis. Keine grausamen Details, dafür Gefühl, Lokalkolorit und ein behutsames Erzähltempo. Und Figuren, die liebevoll gezeichnet sind.
„Die WG sitzt quasi bei mir am Esszimmertisch, ich kenne die Charaktere“, erzählt Rimkus von ihren Helden. Die „Strick-Liesl“, der alte General im Rollstuhl, der pensionierte Meteorologe, die Hobbyköchin Elli, der frühere Polizeipsychologe Philipp, alle spielen auch im fünften Band eine Rolle. Den wollte Rimkus eigentlich „Kopperloch“ nennen, nach einer historischen Badestelle in der südlichen Eilenriede. „Ich stieß darauf, als ich für einen früheren Band eine Figur am Heiligers Brunnen entlanglaufen lassen wollte.“ Wie es sich für Regionalkrimis gehört, legt Rimkus großen Wert darauf, dass alle lokalen Fakten schlüssig sind.
„Teufelsbad“ nannte man die Badestelle im 18. Jahrhundert, im Begriff „Kopperloch“ steckt das Wort Kupfer, das Wasser stammte aus einer schwefelhaltigen Quelle. „Irgendwann ist die Badestelle zugewachsen und geriet in Vergessenheit, bis Waldarbeiter sie in den 1960er-Jahren wiederentdeckten“, erzählt die 67-Jährige. Idealer Schauplatz für einen Mord? In „Letztes Kapitel Hannover“ gibt es noch einige mehr.
Zum Beispiel das Sofa-Loft an der Jordanstraße. Da lehnt im Buch eine tote Schriftstellerin mit aufgeschlitzten Pulsadern an einem Banner mit Sandstrand, Palmen und blauem Meer, ein Sehnsuchtsort, den es heute noch gibt, auch wenn das Plakat von Wind und Wetter inzwischen gezeichnet ist.
„2020 war hier auf dem Parkplatz ein Corona-Testzentrum, also habe ich Sand aufgeschüttet und für die Nachbarn Liegestühle zum Chillen aufgestellt“, erzählt Sofa-Loft-Chefin Sylvia Sobbek (45). In den düsteren Pandemiemonaten hat sie mit ihrer Freundin Claudia Rimkus herumgeblödelt, „leg doch mal eine Leiche bei uns ab“.
Gesagt, getan. Und Sobbek hat sogar einen Miniauftritt im Buch, denn auch die fiktive Möbelhauschefin ist Malerin. „Kunst ist meine Leidenschaft“, sagt Sobbek, deren großformatige, farbwilde Gemälde verstreut im Geschäft stehen und die anderen Künstlerinnen und Künstlern Platz für Ausstellungen bietet, donnerstags Kinofilme zeigt, Lesungen veranstaltet. Die Frauen, die mehr als 20 Lebensjahre trennen, haben einen guten Draht zueinander. Rimkus glaubt, den Grund zu kennen: „Wir Künstlerinnen haben einen anderen Blick auf Details.“ Rimkus fotografiert schon seit sie mit zehn Jahren eine Kodak Instamatic („einen Fotowürfel“) geschenkt bekam. Erste Kurzgeschichten und Romane reichte sie im Familienkreis herum. 2018 traute sie sich, den ersten Krimi zu Verlagen zu schicken, „Eichengrund“ ist inzwischen in der sechsten Auflage auf dem Markt.
Am sechsten Charlotte-Stern-Krimi schreibt Rimkus gerade, bereits fertig hat sie den Auftakt zu einer neuen Reihe namens „Nordstrøm“ (erscheint 2025), die auf den Inseln Rügen, Usedom und Bornholm spielt. Geschrieben in Pandemiezeiten, trotzdem akribisch recherchiert. „Ich bin in Gedanken gereist und habe mich Facebook-Gruppen vor Ort angeschlossen. Auf manche meiner Fragen nach lokalen Begebenheiten habe ich 1600 Antworten bekommen.“ Und dann sitzt sie noch an einem Manuskript für einen humorvollen Krimi im Stil von Karsten Dusses „Achtsam morden“-Hits. Zeit, dass sich die pensionierte Schulsekretärin des Ratsgymnasiums zu einer neuen Berufsbezeichnung bekennt: „Jetzt bin ich Autorin.“
Lesung am 13. April ab 15 Uhr im Sofa-Loft (Jordanstraße 26), Karten kosten 5 Euro.