Die Tage der Papierrollen sind längst vorbei, Daten laufen digital und nahezu in Echtzeit ein. Für die Auswertung ist Jörn Prenzler mit sechs Kolleginnen und Kollegen bei der regionalen Analysestelle der Polizeidirektion Hannover zuständig. Das Team hat auch die gerade veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für die Region Hannover erarbeitet. „Diese Statistik ist eine Möglichkeit, um Kriminalität zu versachlichen“, sagt der 43-jährige Analyst.
Die PKS gibt einen Überblick über die Gesamtzahl der Straftaten, die im Vorjahr aus polizeilicher Sicht ausermittelt wurden. Unterteilt ist sie in acht Deliktfelder. Darunter fallen unter anderem Rohheitsdelikte, häusliche Gewalt, Raub, Tötungsdelikte, Kinder- und Jugendkriminalität. Auch die sind wiederum untergliedert. Allerdings kann das Zahlenwerk nur Taten darstellen, die auch bei der Polizei angezeigt wurden, es stellt das sogenannte Hellfeld dar. „Für viele Deliktbereiche kommen wir dicht an die Realität ran. Zum Beispiel Einbrüche – die werden von den Betroffenen in der Regel immer angezeigt“, sagt Prenzler. Bei Sexualdelikten sei das nicht der Fall.
In welchen Bereichen hat die Kriminalität zugenommen? Wo abgenommen? Und was bedeutet das? Darüber informiert die PKS im Zehnjahresvergleich. Beispiel Jugendkriminalität: Hier verzeichnet die Polizei erneut einen Anstieg, auch mit Blick auf Körperverletzung und Raub unter jungen Menschen. „Die Regelung von zwischenmenschlichen Konflikten konnte in der Corona-Krise nicht erfolgen. Offenbar gibt es da nun einen Nachholeffekt“, sagt Prenzler.
Eigentlich geht es der Polizei bei der Betrachtung der Kriminalitätsentwicklung um Jahresvergleiche. Die Erarbeitung der aktuellen PKS beginnt meist zu Anfang eines Jahres. Da stets neue Daten einlaufen, kann die Behörde aber auch kurzfristige lokale Trends beobachten und Lagebilder erstellen. Zum Beispiel auffällige Anstiege bei Diebstählen in der Innenstadt. Oder während der Corona-Pandemie.
Die Zeit der Lockdowns und des Herunterfahrens des öffentlichen Lebens war für das Analystenteam herausragend. Straftaten wie etwa Wohnungseinbrüche gingen in 2021 und 2022 schlagartig zurück. Dafür nahmen sich Täter häufiger Kellerräume vor. Durch die Beschränkungen nahm auch der Drogenhandel auf der Straße ab. Also hätten Dealer umgesattelt und gefälschte Impfzertifikate verkauft, so Prenzler.
Jeder Lockdown habe wie ein Schalter gewirkt: Traten Beschränkungen in Kraft, seien Straftaten zurückgegangen. Endeten sie, sei deren Zahl wieder angestiegen. Vor allem war die Pandemie auch für die Polizei eine Zeit der Ungewissheit. Wird es Plünderungen geben? Explodiert die häusliche Gewalt? „Wir haben die Daten täglich analysiert“, sagt Prenzler.
Die nun vorgestellte PKS ist deswegen besonders interessant: Waren die beiden Corona-Jahre 2020 und 2021 nicht wirklich mit den Kriminalitätszahlen davor vergleichbar, sind von 2022 zu 2023 nun wieder Trends erkennbar. Außerdem zeigt die PKS alle Entwicklungen im Zehnjahresvergleich, sonst gab es ein Fünfjahresvergleich. Die Zahl der Gesamtstraftaten hat in so gut wie allen Deliktbereichen zugenommen, so das Ergebnis.
Die Erkenntnisse seien ein wichtiges Werkzeug auch innerhalb der Polizei, sagt Prenzler. Sein Team arbeitet mit den Kollegen der Prävention und Kriminalitätsbekämpfung zusammen, die aus den Zahlen konkrete Maßnahmen entwickeln. „So setzen wir Impulse“, sagt Prenzler.