Bücher über Stilistik raten meist vom Gebrauch des Zeichens ab. Und die Stilexperten haben natürlich recht. Das Ausrufezeichen ist pompös und laut und nervig. Aber es ist da. Und zwar immer öfter! Das erste gedruckte deutsche Ausrufezeichen stammt aus dem Jahr 1572. Es findet sich in dem Pamphlet „Flöh Hatz Weiber Tratz“ von Johann Fischart, eine Anleitung über Zucht und Ordnung in der Ehe.
Die Autorin hat noch ein paar andere interessante Fakten über das Ausrufezeichen zu bieten! So berichtet sie über eine Studie des Datenjournalisten Ben Blatt. Der hat herausgefunden, dass es bei Autorinnen und Autoren einen Zusammenhang zwischen der Zahl der veröffentlichten Romane und der Anzahl der Ausrufezeichen pro Seite gibt. Je weniger Bücher jemand schreibt, desto mehr Ausrufezeichen verwendet er. Interessant!
Die Nazis übrigens waren ganz vernarrt in Ausrufezeichen. Hazrat schreibt: „Reichspropagandaminister Joseph Goebbels war schier besessen von !!!-Drillingen, und peitschte sie sowohl in die wöchentliche Aushangszeitung ,Parole der Woche’, die von 1936 bis 1943 erschien, als auch in Reden Hitlers wie der über den britischen Luftangriff im September 1942: ,Die Stunde wird auch dieses Mal kommen, in der wir antworten werden!!! Mögen dann die Generalverbrecher dieses Krieges und ihre jüdischen Hintermänner nicht zu winseln und zu flennen anfangen, wenn das Ende für England schrecklicher sein wird als der Anfang!!!’“
Zur Einordnung zitiert sie den Philologen Victor Klemperer. Der hat in seinem Buch „Lingua Tertii Imperii“ über die Sprache der Nazis geschrieben: „Alles in ihr musste Anrede, Anruf, Aufpeitschung sein.“
Und Anruf und Aufpeitschung sind ja immer noch sehr gefragt. Besonders im Netz. Dort versetzt uns das Ausrufezeichen ständig in eine kognitive Alarmbereitschaft. Aber immer nur Alarm nervt natürlich kolossal. In Beiträgen auf den sozialen Netzwerken empfinden viele den intensiven Ausrufezeichengebrauch schon etwas nervig. Hazrat schreibt: „Ein einfaches ,Argh’ ist nicht mehr genug. Es muss ,Argggh’ oder ,Arggggggh’ sein. Wir müssen eskalieren und unsere Worte oder Buchstaben immer weiter aufblähen, um unsere Botschaften in nahezu absurde Längen zu ziehen.“ Und dahinter reicht dann oft nicht, was eigentlich reichen sollte. Der Punkt.Florence Hazrat: „Das Ausrufezeichen. Eine rebellische Geschichte“. Aus dem Englischen von Stephan Pauli. HarperCollins, 224 Seiten, 20 Euro. Erscheinungstermin: 23. Januar