Im 19. und 20. Jahrhundert sind im deutschsprachigen Raum mindestens 2000 unterschiedliche Apfelsorten angebaut worden. Viele davon sind wieder verschwunden. „Sie haben sich am Markt nicht durchgesetzt, waren zu klein, zu unansehnlich, nicht schmackhaft genug oder zu anfällig für Krankheiten“, bedauert Hartmut Brückner, Vorsitzender des Bergischen Streuobstwiesenvereins aus Overath.
Ein Schicksal, das diese Äpfel mit alten Sorten Pflaumen und Birnen teilen. Inzwischen kümmern sich Verbände wie der Deutsche Pomologen-Verein um historisch gewachsene Sorten, wie dessen Sprecher Joachim Reinig erläutert: „Wir wollen die genetische Vielfalt dieser Sorten erhalten. Wir wissen heute ja noch nicht, wozu wir diese noch einmal gebrauchen können.“
„Die alten Apfelsorten sind in der Regel herber, säurehaltiger, aromatischer“, sagt Brückner. „Es gibt Sorten, die sich zum kurzfristigen Verzehr direkt vom Baum eignen, andere lassen sich gut backen und kochen oder zu Saft beziehungsweise Schnaps verarbeiten“, ergänzt Reinig.
Der Geschmack lässt sich mitunter durch etwas Geduld beeinflussen, denn bei vielen alten Sorten liegt eine erhebliche Spanne zwischen dem Pflück- und dem optimalen Genusszeitpunkt, so Reinig. Etwa beim Altländer Pfannkuchenapfel: „Dieser wird Anfang Dezember geerntet und ist erst im Januar verzehrreif.“ Diese Sorte kann bis Mai gelagert werden, Deutscher Pomologen-Vereinohne dass sie gekühlt werden muss.
Wenn man selbst alte Apfelsorten anbauen will, sollte man wissen, worauf man sich einlässt. „Alte Sorten wachsen auf hochstämmigen Obstbäumen, deren Anbau und Pflege umfangreich und kompliziert ist. Es dauert mindestens 15 Jahre, bevor die Bäume einen nennenswerten Ertrag bringen“, erklärt Brückner. Wirtschaftlich betrachtet, rechnen sich diese hochstämmigen Obstwiesen nicht. Von den Supermarktäpfeln hält er dennoch wenig: „Sie werden bewusst süß und überwiegend rotfarbig gezüchtet. Sie haben alle gleiche Größe, gleiche Farbe, keine Schorf- und Regenflecken und nie einen Wurm.“ Diese meist neueren Sorten gedeihen nur auf Plantagen aus Niederstammbäumen. Um die Früchte supermarkttauglich zu bekommen, müssten sie mehrmals gegen Pilz- und Insektenbefall gespritzt werden.Wer selbst alte Apfelsorten anbauen möchte, sollte beachten, dass die Hochstammbäume viel Platz brauchen. Zudem gedeiht nicht jede Sorte Apfel an jedem Standort. Interessenten empfiehlt Reinig, sich lokalen Streuobstwiesen-Projekten anzuschließen, die häufig von Naturschutzorganisationen betrieben werden. Und Brückner weist darauf hin: „Streuobstwiesen bieten vielen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum, darüber hinaus verbessern sie das Landschaftsbild und das Lokalklima.“