Seit Juli 2023 ist Andreas Beneke unterwegs. In Südamerika hat er in Usuhaia gerade den südlichsten Punkt Argentinens erreicht – auch das „Ende der Welt“ genannt. Seine nächsten Ziele sind USA, Kanada und Australien.
Inzwischen zeigt er sich eher abwartend, was die Reiseroute betrifft. „Ich habe gelernt, dass man nicht alles planen kann“, sagt er – zu Recht. Denn auf seiner Reise hat er einige Male erlebt, dass manchmal die beste Planung nicht reicht. So wird er in der Türkei auf einsamen Schotterstraßen von einem Rudel wilder Hunde gejagt und in Montenegro von einem Taxifahrer fast verprügelt – weil dieser sich aufregt, dass er als Radfahrer auf der engen Bergstraße entlangfährt. In Nordmazedonien gerät er in die schlimmen Unwetter, die Griechenland im Spätsommer heimgesucht hatten.Anfang Oktober 2023 trifft er dann in Israel ein. „Ich hatte einen wunderschönen Zeltplatz in einem Naturpark gefunden“, erzählt er – „als ich morgens von lauten Geräuschen geweckt wurde und Israelis vorbeirannten und sagten, dass ich einen Schutzraum suchen sollte.“ Erst allmählich wird ihm dann die Gefährlichkeit der Situation klar. „Stück für Stück bekam ich mit, dass die Hamas das Land überfallen hatte“, beschreibt Beneke. Sein Glück: „Ich hatte auf meiner Tour in Sofia Mark, einen Israeli, kennengelernt. Ihn rief ich an, und er sagte, ich soll sofort zu ihm nach Tel Aviv kommen“, berichtet Beneke. „Ich fuhr los und wurde mit dem Fahrrad direkt auf die Autobahn geleitet. Kein einziges Auto fuhr noch, ich radelte ganz allein auf dem Highway – das war sehr, sehr unwirklich!“
Bei seinem Gastgeber kam er unbeschadet an – dann erst zeigte sich, was er für ein unvorstellbares Glück gehabt hatte. Denn auch die Autobahn war nicht sicher gewesen. Im Gegenteil, auch hier hatte die Hamas Israelis abgefangen. Ab jetzt bestimmten Luftalarm, die TV-Nachrichten und eine ständig gepackte Notfalltasche seinen Alltag. In den nächsten Tagen wurde auch klar, dass sich dieser Konflikt nicht so schnell lösen würde.
„Am Flughafen war ein totales Chaos“, erzählt Beneke. „Wir wurden aufgefordert, das Land zu verlassen, aber von der deutschen Botschaft kam wenig und zu spät Hilfe.“ Weiteres Problem: das Fahrrad. Doch zum Glück half ihm Mark, wo immer es ging. „Wie selbstlos Menschen mich generell auf der Reise unterstützt haben, ist für mich eine ganz besondere Erfahrung. Und besonders in Israel war das für mich ein riesiges Glück, das Land und die Menschen waren im Ausnahmezustand. Und trotzdem waren Mark und seine Freunde für mich da.“
Schließlich ergattert er einen letzten Platz in einer El-Al-Maschine nach Thessaloniki. So ging es zurück nach Griechenland, in das Land, das er bereits im September durchradelt hatte. Und damit war auch seine Idee, mit dem Rad über den Sinai nach Ägypten zu fahren, nicht mehr möglich.
Also neue Route, neue Planung. Andreas Beneke radelt zunächst in die Türkei, fliegt dann nach Johannesburg. Auch das südliche Afrika stellt ihn vor neue Probleme – dieses Mal sind es Kriminalität und Gewalt. „Es ist ein landschaftlich wunderschönes Land, aber es gibt viele Orte, die nicht sicher sind“, schildert er seine Erfahrung.
Aber er wird auch mit offenen Armen empfangen. „Ich habe sehr viel Hilfsbereitschaft erlebt: Oft haben Farmer, bei denen ich übernachtet habe, mir gleich bei befreundeten anderen Farmen für den nächsten Tag einen Schlafplatz organisiert. Einmal hat mich ein Mann auch mit dem Auto den ganzen Tag begleitet, weil er sichergehen wollte, dass ich auch heil an mein Ziel ankomme.“
Die Gastfreundschaft überwältigt Beneke. „Man kaufte mir spontan Getränke, oder wildfremde Personen bezahlten im Imbiss mein Essen. Und mehrfach beteten Südafrikaner auf offener Straße für meine sichere Heimkehr.“ Spontan läuft er in Soweto einen Marathon mit, freundet sich dabei mit zwei Läufern an, die zum ersten Mal dabei sind. „Ich habe sie bis ins Ziel mitgezogen“, sagt er und lacht. Auch Hanover besucht er – es liegt in der Provinz Nordkap.
Im Dezember erreicht er Namibia. Die Sonne brennt, es ist unfassbar heiß. Wüste, so weit das Auge reicht. Auf dem Kalahari-Highway absolviert er die 150 Kilometer mit seinem circa 60 Kilo schweren, voll beladenen Rad dennoch in nur einem Tag. Immer wieder liegen lange Dornen auf den Straßen herum, ein Alptraum für Fahrradfahrer.
Und dann: deutsche Straßenschilder, deutsche Beschriftungen an den Häusern, es wird auch Deutsch gesprochen. „Es ist wirklich unfassbar, wie sich die Sprache gehalten hat“. In Namibia verbringt er im schönsten Sonnenschein Weihnachten. Er leistet sich den Luxus, in einem Hotel zu übernachten und feiert in einem „Brauhaus“ in Swakopmund. Sogar Adventskränze gibt es. Und immer wieder besondere Begegnungen: Eine örtliche Radlertruppe lädt ihn ein, zusammen mit Carbon-Fatbikes – das sind Räder mit dicken Ballonreifen – durch die Wüste zu radeln. „Eines der geilsten Erlebnisse meiner Radreise bisher“, sagt er .
Dann fliegt er nach Chile, es ist wieder eine ganz andere Welt. Im Süden Chiles gibt es im Archipel „Madre de Dios“ auch eine Insel mit dem Namen Hanover. Mit einer Fähre fährt er an ihr vorbei. Er durchquert Patagonien, auch hier trifft er auf deutsche Spuren. „Kuchenladen“ steht an einem Geschäft, es gibt Streuselkuchen, einen Club Aleman, eine „Erste deutsche Feuerwehrkompanie“.
Mit der Tour erfüllt sich Beneke einen echten Kindheitstraum. „In der fünften oder sechsten Klasse haben wir im Erdkundeunterricht Ägypten durchgenommen. Ich war total fasziniert, und als ich in einer großen Sonntagszeitung einen Artikel über einen Mann las, der mit dem Fahrrad bis zu den Pyramiden gefahren war, sagte ich: Das mach’ ich auch! Da haben mich alle ausgelacht – auch die Lehrer!“ Nur seine Eltern unterstützten ihn und schenkten ihm das Buch „Ich radle um die Welt“ des Journalisten Heinz Helfgen.
Und ob er doch noch Ägypten sieht? „Mal abwarten, vielleicht am Ende der Reise. Und wenn dann nicht, beim nächsten Mal!“, sagt der Weltreisende. Denn dass er irgendwann mit seinem Rad vor die Pyramiden fährt, steht für ihn außer Frage.
Und so hat Andreas Beneke seinen Instagram-Account nach dem Kurt-Schwitters-Zitat auch „Vorwärts nach weit“ genannt. Denn das ist klar: Es geht immer vorwärts, denn die Weite, die bleibt.