Das Problem gibt es seit Jahren, und es wird immer schlimmer: Die Notaufnahmen der Krankenhäuser in Hannover und im Umland sind überfüllt. Denn immer mehr Patienten, die keine Notfälle sind, kommen in die Krankenhäuser, weil ihre Arztpraxis geschlossen hat oder sie nicht auf einen Arzttermin warten wollen. Die Folgen sind gravierend. Denn Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte haben dadurch weniger Zeit, sich um die wirklichen Notfälle zu kümmern.
Beispiel Medizinische Hochschule Hannover (MHH): Im vergangenen Jahr kamen 62.000 Patientinnen und Patienten in die Notaufnahme. Allerdings hatten 40 Prozent von ihnen keine gravierenden Erkrankungen oder Verletzungen, die eine Behandlung in der Notaufnahme gerechtfertigt hätten. „Das spricht dafür, dass mangelnde Selbsteinschätzung durchaus eine Rolle spielt“, sagte eine MHH-Sprecherin. In anderen Kliniken ist die Situation ähnlich. In die Notaufnahme des DRK-Clementinenhauses im hannoverschen Stadtteil List komme ebenfalls deutlich mehr als ein Drittel der Patientinnen und Patienten, die eigentlich zum Hausarzt oder zur Fachärztin gehören, sagt der Leitende Arzt der Notaufnahme, Bastian Schönemeier. „Das geht quer durch alle Altersgruppen und alle Bevölkerungsgruppen“, berichtet er.
Eine Verbesserung der Situation versprechen sich die Kliniken und die Region Hannover jetzt von einer Aufklärungskampagne und der Verzahnung von Notfallnummern. Plakate in den Notaufnahmen und an anderen Orten sollen Patientinnen und Patienten künftig darauf hinweisen, dass die Notaufnahmen nur für lebensbedrohliche Fälle gedacht sind. Dazu gehören zum Beispiel Bewusstseinsstörungen, Krampfanfälle, plötzliche Sprachstörungen, Lähmungen, Brustschmerzen oder Vergiftungen. Sind die Symptome nicht lebensbedrohlich, verweisen die Plakate auf die Hausärztinnen und Hausärzte oder an den ärztlichen Bereitschaftsdienst außerhalb der Öffnungszeiten unter der Rufnummer 116 117.
„Natürlich ist es nicht immer einfach, die eigenen Beschwerden klar einzuordnen“, sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, Thorsten Schmidt. Unter der Rufnummer 116 117 gebe es aber für Patientinnen und Patienten Empfehlungen und Informationen zur akuten Behandlungsbedürftigkeit.
Lob für die Plakatkampagne kommt von Landesgesundheitsminister Andreas Philippi (SPD). Es sei „sehr hilfreich und vorbildlich, dass die Gesundheitsregion Hannover vorangeht und alle Akteure eng zusammenarbeiten“, betont er. Die Kampagne sei sehr gelungen, weil sie das Problem samt Lösung auf den Punkt bringe.
Die Idee zur Plakataktion stammt von der Arbeitsgemeinschaft Notfallversorgung in der Region Hannover, in der die Notaufnahmen aller Kliniken vertreten sind. Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft, Jens Albrecht, erhofft sich durch die Plakataktion in Zukunft eine verbesserte Notfallversorgung für die wirklich schweren Fälle. Albrecht ist Ärztlicher Direktor und Leiter der Notaufnahme im Vinzenzkrankenhaus Hannover.
Zudem plant das Gesundheitsministerium in Hannover, die Telefonnummern für den Notruf 112 für lebensgefährliche Situationen und die Nummer des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes zum Beispiel für Menschen mit Erkältungen oder anderen weniger ernsthaften Erkrankungen besser zu verzahnen. Denn nach Angaben einer Ministeriumssprecherin werde nicht immer die richtige Rufnummer gewählt. Teilweise riefen Menschen beispielsweise einen Rettungswagen, obwohl gar kein Notfall vorliege. Deshalb will das Land ermöglichen, dass ein Anruf unter der Notfallnummer 112 an die Nummer des Bereitschaftsdienstes übergeben werden kann, wenn es sich um keinen wirklichen Notfall handelt.